Predigten

 

"Was für eine Verschwendung!" Predigt zu Mk 14, 3-9 an Palmsonntag 2005 (Eberhardsgemeinde +
St. Michaelsgemeinde) (Beate Schröder)


Liebe (Festtags)gemeinde!
Wir freuen uns am Einzug Jesu in Jerusalem
Wir freuen uns mit den Menschen, die damals am Wegesrand standen und Palmzweige und Kleider auf den Weg legten, um Jesus als ihren König willkommen zu heißen. Wir hoffen mit ihnen auf eine Welt, in der Fremdherrschaft und Gewalt zu einem Ende kommen und es Gerechtigkeit gibt auch für Arme und Bedürftige.

"Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttieres." (Mt 21,5)

Doch in die Freude mischt sich Trauer, denn wir wissen: Die Hoffnungen vieler werden enttäuscht. Jesus wird in Jerusalem nicht zum König gekrönt. Er wird die römische Besatzungsmacht nicht vertreiben, wie es sich viele erhofft hatten. Er wird verraten, gefangen genommen, gefoltert und hingerichtet. Heute, am Palmsonntag beginnt auch die Karwoche, in der wir uns an dieses Leiden und Sterben erinnern.
Beides kommt am Palmsonntag zusammen:
Freude, auch Vorfreude auf Ostern - und Trauer über Verrat, Verleugnung und Gewalt.
Ich denke, Jesus hat beides in sich getragen. Er wusste, was auf ihn zukommt. Er hatte Angst davor. Dreimal hat er versucht die Jünger auf das, was ihn in Jerusalem erwartete, vorzubereiten. Aber sie haben es nie ganz glauben, nie ganz verstehen können.

Beim ersten Mal stellte sich Petrus Jesus in den Weg und wollte nicht, dass er den Weg ins Leid geht.

Beim zweiten Mal, so heißt es, verstanden die Jünger die Ankündigung seines Leidens nicht und fürchteten sich, nach zu fragen.

Und das dritte Mal bekamen es alle, die mit ihm zogen, mit der Angst zu tun.
Dann im Garten Gethsemane, unmittelbar vor seiner Verhaftung, bekam Jesus selber Angst und bat seine Jünger, mit ihm wach zu bleiben, Doch die Jünger schliefen ein. Sie wollten das bittere Ende nicht wahr haben. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes die Augen davor verschlossen.
Im Evangelium wird uns von einer Frau erzählt, die ihre Augen nicht verschließt, die wie Jesus voraus sieht, was geschehen wird - und: ihn darauf vorbereitet. Sie hat keinen Namen und sie spricht kein einziges Wort. Und doch sagt Jesus über sie:

"Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird, in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat." (Mk 14, 9)

Ich lese aus dem Markus-Evangelium 14, 3-9:

3 Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl.
Und sie zerbrach das Alabastergefäß und goss es auf sein Haupt.
4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?
5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren die Frau an.
6 Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
8 Sie hat getan, was sie konnte;
Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.
9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.
Amen

Bethanien - ein kleines Dorf vor den Toren Jerusalems. Hier hat Jesus Freunde, bei denen er übernachtet, während er sich in Jerusalem aufhält.
Mit Freunden ist er beim Essen im Haus von Simon, dem Aussätzigen. Sie sitzen oder liegen zu Tische. Die Frau kommt herein. Sie stellt oder kniet sich hinter Jesus. Sie öffnet das Alabastergefäß und gießt das kostbare, gut riechende Nardenöl über sein Haupt. Sie sagt kein einziges Wort.
Alle halten den Atem an.
Keiner kennt sie, keiner spricht mit ihr.
Wer ist sie? Was will sie? Warum sagt Jesus nichts?
Schließlich können einige nicht mehr an sich halten. Es bricht aus ihnen heraus: "Was soll diese Verschwendung? Man hätte dieses Öl für mehr als 300 Silbergroschen verkaufen und das Geld den Armen geben können." -
Aber Jesus lässt die Frau gewähren. Nicht sie weist er zurecht, sondern seine Tischgenossen: "Lasst sie! Sie hat mir Gutes getan! Sie hat meinen Leib gesalbt für mein Begräbnis."

Aber, liebe Gemeinde!
haben die Tischgenossen Jesu nicht recht? 300 Silbergroschen war das Öl wert. Ein Silbergroschen war damals ein Tageslohn. 300 Tage also hätte ein Mensch von dem leben können, - ein Jahr lang! - was diese Frau innerhalb weniger Sekunden vergossen hat.
Die da bei Simon, dem Aussätzigen sitzen, haben sicher selber nicht viel. Sie können diese Verschwendung schier nicht ertragen. Es ist zu verrückt, was die Frau hier tut.
"Man hätte das Öl verkaufen und das Geld den Armen geben können"
Ich kann diesen Einwand der Freunde Jesu sehr gut nachvollziehen.
Hatte Jesus nicht selber den reichen Jüngling traurigen Herzens mit den Worten fortgeschickt: "Leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Himmelreich..."
Das Armutsideal hat etwas Urchristliches. Nicht auf prunkvolle Zeichen, Symbole oder Bauten kommt es an, sondern auf die stille Liebestat.
Auch heute ist der Maßstab für eine glaubwürdige Kirche für viele Menschen ihr diakonisches Engagement. Diese Haltung wird zunehmen je mehr sich Staat und Kommunen aus Sozialaufgaben herausziehen.

Liebe Gemeinde!
Es gibt Momente, in denen die Alltagslogik außer Kraft gesetzt ist, in denen das, was sonst immer richtig ist, nicht gilt.
Momente, in denen das richtig ist, was uns verrückt vorkommt.
Momente, in denen die Kosten Nutzen Rechnung nicht aufgeht.
Jesus weiß um solche Momente:

"Arme habt ihr allezeit bei euch, und wenn ihr wollt könnt ihr ihnen Gutes tun. Aber mich habt ihr nicht allezeit."

Es bleibt nicht mehr viel Zeit für Jesus. Nur noch zwei Tage bis zum Passahfest. Jesus versteht das Zeichen der Frau. Er spürt ihre tiefe Solidarität und ihren großen Respekt.
Ich denke, auch die Tischgenossen spüren das Besondere, das hier geschieht. Sie sind verunsichert.
Denn diese Frau tritt nicht demütig und bescheiden auf, wie es damals von einer Frau erwartet wurde, die eine Männerrunde betritt. Sie weiß, was sie will. Was sie tut erinnert an die Geschichte ihres Volkes Israel: Ähnlich wie diese Frau Jesus - so hat der Prophet Samuel Saul, den ersten König Israels gesalbt.
Im Alten Testament heißt es:
"Da nahm der Prophet Samuel den Krug mit Öl und goss es auf das Haupt des Saul und küsste ihn." (1. Sam 10,1)

Und noch eine Botschaft schwingt in der Zeichenhandlung der unbekannten Frau mit: Sie nimmt Nardenöl.
Narden-Öl wurde damals zur Salbung der Toten verwandt. Indem sie Jesus mit Nardenöl salbt, zeigt sie: Dieser König ist nicht gekommen, um einen Thron zu besteigen. Er ist gekommen und wird sterben.
Sie sieht Jesu Tod voraus, und tut das, was später nicht mehr möglich sein wird: Die Frauen, die seinen Leichnam am Ostermorgen salben wollen, kommen zu spät. Der Stein ist weggerollt. Das Grab ist leer.

Die unbekannte Frau sieht das schon jetzt. Sie verschließt ihre Augen nicht. Die Frau sieht, was geschehen wird.

Liebe Gemeinde!
Diese Frau ist eine Prophetin - und sagt kein einziges Wort:
Sie spürt seine Angst und will ihn stärken für das, was kommen wird. Das hat Jesus gespürt und deshalb gesagt. "Sie hat ein gutes Werk an mir getan."
Das hatte sich Jesus immer von seinen Jüngern gewünscht....

"Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird, in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat."

Liebe Schwestern und Brüder!
Nehmen wir Jesu Worte ernst! Behalten wir diese unbekannte Frau im Gedächtnis, wo immer wir sein Evangelium verkünden. Ihr prophetisches Zeichen hilft uns, seinen Leidensweg zu verstehen.
Sie hat ihn zum König gesalbt, weil sie wusste, dass er nicht den Weg der weltlichen Könige gehen wird, sondern den Weg der Verratenen, Geschundenen und Hingerichteten.
Sie hat ihn zum Begräbnis gesalbt, weil sie wusste, dass er mit ihnen in den Tod gehen wird. Sie hat die Augen vor seinem Leid nicht verschlossen.
Gott hat ihn nicht im Tod gelassen. Er hat ihn auferweckt am dritten Tag. Der Gott Israels und Vater Jesu Christi ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes.
Weil wir das glauben, können wir in der kommenden Woche mit der unbekannten Frau den Weg seines Leidens mitgehen.
Wir brauchen die Augen nicht zu verschließen vor den Abgründen dieser Welt, sondern können in österlicher Hoffnung auf den vertrauen, der aus dem Tod ins Leben ruft.
"Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün."

Amen

 

 

 

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