Predigten

 

"Und er nahm das Brot..." Predigt zu Mk 14, 17-26 an Gründonnerstag 2005 in der Eberhardsgemeinde
(Beate Schröder)

Liebe Schwestern und Brüder!
Am Abend kam Jesus mit den Zwölfen und sie setzten sich zu Tisch. Dieser Abend war der Abend des ersten Tages der Ungesäuerten Brote, als man das Passahlamm opferte. So heißt es wenige Verse zuvor im Markus-Evangelium.

Wir erinnern uns: Das Passahlamm wird geopfert in Erinnerung an die eine Nacht, in der das Volk Israel aufbrach aus der Sklaverei in Ägypten. In dieser Nacht aßen die Israeliten das Lamm mit Schuhen an ihren Füßen und mit dem Stab in der Hand - bereit für den Aufbruch aus der Sklaverei in die Freiheit.

In Erinnerung an die Eile des Aufbruchs wird bis heute beim Passahfest ungesäuertes Brot, sog. Mazzen gegessen. Der Teig der Mazzen muss nicht säuern und nicht gehen. Er besteht nur aus Mehl, Wasser und Salz und kann schnell im Feuer gebacken werden.

Bittere Kräuter erinnern an die Bitternis, die die Israeliten in Ägypten erduldeten, als sie unter schrecklichen Bedingungen Ziegel für die Prachtbauten des Pharao herstellen mussten. Die Kräuter werden in ein süßes lehmfarbenes Mus aus Datteln, Äpfeln und Gewürzen getaucht. Das erinnert an den Lehm, aus dem sie die Ziegel hergestellt haben.
Der Auszug aus der Sklaverei in Ägypten ist zu einer Grunderfahrung jüdischen Glaubens geworden. Jahr für Jahr wird diese Erfahrung am Passahfest vergegenwärtigt. Das war auch damals so, als Jesus mit seinen Jüngern zu Tische saß. Versuchen wir dies im Hinterkopf zu behalten, wenn wir über die Worte Jesu an diesem Abend nachdenken.
Sie sind schon beim Essen, als Jesus die schreckliche Voraussage macht: "Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten und an die Verfolger ausliefern.

Er nennt keinen Namen.
Die Jünger sind betroffen und verunsichert: "Bin ich´s?" fragen sie der Reihe nach. Interessant - Sie verdächtigen und beschuldigen sich nicht gegenseitig, sondern scheinen zu spüren: Jeder von ihnen kann in dieser angespannten Lage zum Verräter werden.
Nur Petrus wird später erklären: "Und wenn alle an dir Anstoß nehmen, so doch ich nicht!" (14,29) Doch er wird noch am Ende derselben Nacht eines besseren belehrt - "der Hahn krähte das zweite Mal... Und er fing an zu weinen."
"Bin ich´s?" Jesus geht auf diese Frage nicht ein. Zur Identifizierung des Verräters trägt seine Antwort nicht bei:
"Einer von den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel taucht."

Zur Passahordnung gehört es, dass jeder, der an der Mahlzeit teilnimmt, die bitteren Kräuter in die Schüssel mit dem süßen braunen Mus taucht. Jeder der Zwölf taucht also mit Jesus in die Schüssel. Jeder kann der Verräter sein.
Die bitteren Kräuter erinnern an die bitteren Erfahrungen der Israeliten in der Sklaverei in Ägypten. Von einem engen Freund verraten zu werden, ist auch eine sehr bittere Erfahrung, eine von vielen, die Jesus in den letzten Tagen seines Lebens in Jerusalem machen muss.

"Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen." (Ps 41,10) So bringt der Psalmbeter diese Erfahrung vor Gott.
Der unerkannte Verräter wird nicht aus der Mahlgemeinschaft ausgeschlossen. Er läuft auch nicht weg, schließt sich selber nicht aus. Das kann uns Trost sein, wenn wir heute zum Abendmahl eingeladen sind. Keine Schuld ist so groß, dass sie Grund böte, jemanden vom Tisch des Herrn auszuschließen. Alle sind willkommen und dürfen ihre Last an seinem Tisch ablegen:
"Jeder, der hungrig, komme und esse! Jeder, der in Not, komme und feiere mit uns das Passahfest." So heißt es in der Feier des Passahfestes.
Und doch ruft Jesus: "Weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nicht geboren wäre..."

Ich denke, wir dürfen diesen Ruf nicht als Ankündigung einer noch ausstehenden Strafe missverstehen. Es ist mehr ein tiefer Seufzer des Mitleids. Jesus sieht, in welch unerträgliche Spannung Judas durch seine Tat gerät. Vielleicht sieht er auch schon sein Ende voraus: Als Judas sah, das Jesus zum Tode verurteilt war - setzte er seinem Leben selber ein Ende. (Mt 27,3)

Liebe Gemeinde!
Alle sind geladen zum Mahl des Herrn, Gerechte und Ungerechte, Arme und Reiche. Hören wir jetzt, wie Jesus das Passahmahl auf sich und sein Leben bezieht. Ich setze die Lesung fort, die Herr Kretschmar begonnen hat:

22 Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib.
23 Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus.
24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.
25 Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes.
Amen

Vertraute Worte, liebe Gemeinde - und doch anders, als die Einsetzungsworte, die wir beim Abendmahlsgottesdienst hören. Die Einsetzungsworte unserer Abendmahlsliturgie sind aus den unterschiedlichen Erzähltraditionen der Bibel zusammengesetzt. Heute hören wir nur die Worte des Markus-Evangeliums. Sie sind eingebunden in die Passahtradition. Lassen Sie uns das nachvollziehen: Jesus nahm das Brot und dankte, wahrscheinlich mit den Worten, mit denen das Passahmahl eröffnet wird: "Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, Herr der Welt, der die Erdfrucht erschaffen hat."

Er brach das Brot, gab es den Jüngern und sprach: "Nehmt, das ist mein Leib". Und die Jünger hören in diesem kurzen Wort die Worte der Passahliturgie mit, die lauten: "Nehmt. Das ist das Brot des Elends , das unsere Väter und Mütter im Lande Ägypten gegessen haben."
Noch ist es das Brot des Elends, die Wüstenwanderung steht noch bevor, das gelobte Land ist noch lange nicht erreicht. Noch ist es der Leib der geschunden, gefoltert und gekreuzigt wird. Noch ist nicht Ostern, noch kann das österliche Halleluja nicht angestimmt werden. Doch der Bund, der in diesem Passahmahl geschlossen wird, trägt durch das kommende Elend hindurch und weist auf eine Zukunft in Frieden und Freiheit.

"Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird."
Diese Worte wiederum erinnern die Jünger an die Worte des Bundesschlusses vom Sinai. Dort wurden dem Volk Israel die 10 Gebote offenbart. Im zweiten Buch Mose heißt es:
"Und Mose nahm das Buch des Bundes und las es vor den Ohren des Volkes. Und sie sprachen: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun und darauf hören.
Da nahm Mose das Blut des Opfertieres und besprengte das Volk damit und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat auf Grund all dieser Worte."
(Ex 24, 7-8)
"Das Blut des Bundes" - vergossen dort für das Volk Israel, hier für die Vielen. Jesus erinnert an den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat und weitet ihn aus auf die Vielen .

Liebe Gemeinde!
Die Vielen - damit sind wir gemeint. Wir, die Menschen außerhalb des Volkes Israel, sind mit hinein genommen in den Bund Gottes mit den Menschen. Jesus, der Christus geht den Weg des Elendes , den das Volk Israel in Ägypten gegangen ist noch einmal - den Weg der Verfolgung, der Folter und des Todes - für die Vielen, für uns.

Der Weg des Volkes Israel führt zunächst in die Wüste. Dort hungern die Menschen sehnen sich zurück nach den Fleischtöpfen Ägyptens. Der Weg Jesu Christi führt zunächst in den Tod. Und die Jünger dachten: Jetzt ist alles aus. Sie verließen ihn alle und flohen.... Aber es ist nicht alles aus. Gott ruft aus dem Tod ins Leben. Er führt das Volk Israel ins Gelobte Land Kanaan. Er ruft seinen Sohn Jesus von Nazareth Jesu Weg vom Tod ins Leben, von den Toten zu den Lebenden ist unumkehrbar, wie der Auszug aus Ägypten unumkehrbar ist. Wenn wir heute an die dunkelste Nacht im Leben von Jesus von Nazareth denken, so wissen wir schon jetzt von der Freude, die uns am Ostermorgen erwartet.
Und wenn wir in der Welt des 21. Jahrhunderts manchmal kein Licht mehr sein,
weil eine Katastrophe der nächsten folgt,
weil wir persönlich nicht mehr aus noch ein wissen,
weil uns Trauer, Krankheit oder Verzweiflung nicht mehr loslassen,
dann wissen wir doch: Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten.
Und so hoffen wir auf dem Tag, an dem Jesus, der Christus auf neue trinken wird von dem Gewächs des Weinstocks im Reich Gottes.
"Dieses Jahr noch hier - im künftigen im Lande Israel,
dieses Jahr noch Sklaven - im künftigen freie Menschen!"
Die Hoffnung auf diesen Tag verbindet uns mit Juden und Christen auf der ganzen Welt. Der Weg dorthin ist noch weit. Doch in der dunkelsten Nacht seines Lebens hat Jesus, der Christus uns Wegzehrung geschenkt. Bis es soweit ist, dürfen wir uns stärken am Brot des Lebens und am Kelch des Heils, denn
"ER hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder,
der gnädige und barmherzige Gott.
Er gibt Speise denen, die ihn fürchten;
Er gedenkt ewig an seinen Bund."

(Ps 111)
Amen

 

 

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