|
Fastenpredigten
2009 in St. Michael, Tübingen
und St. Pankratius, Bühl/Kilchberg
Ausstellung der Künstlergruppe
Trialog
Einführende Gedanken
zur Ausstellung
von Ute Lorek
Die 1 steht für sich, bei zweien geht es immer hin und her, bei drei
aber entsteht Dynamik, entsteht Raum. In diesen Raum fällt Licht.
In diesem Raum entsteht Bewegung, durch die Bewegung entsteht Wärme.
Drei Frauen drei Künstlerinnen,
nämlich Gabriele Pfaus-Schiller, Ute Renz und Elena Schmidt gestalten
mit uns die Fastenpredigten 2009 drei davon hier in der St. Michaels-Kirche,
eine in St. Pankratius in Bühl. Darüber hinaus werden die ausgestellten
Werke hier im Kirchenraum bis Ostern täglich zu sehen sein.
Bevor ich Ihnen die drei Künstlerinnen und ihre Werke vorstelle,
möchte ich noch ein bißchen bei der Zahl 3 bleiben. Alleine
über den Symbolgehalt und die Bedeutung der in vielen Kulturen heiligen
Zahl könnte man zumal im Kirchenraum abendfüllend
sprechen. In unserem konkreten Fall wird die drei insofern bedeutsam,
als die Künstlerinnen ihr gemeinsames künstlerisches Zusammenwirken
Trialog nennen. Ich sage künstlerisches Zusammenwirken,
denn die drei arbeiten nicht zusammen, stellen auch nach wie vor einzeln
aus. Der Trialog und als solchen präsentieren sich uns die
drei heute ist ein spannendes Experiment über die Möglichkeiten
von Kommunikation. Natürlich läßt uns das Kunstwort Trialog
zuerst an das uns bekannte Wort Dialog denken. Doch meint Trialog eben
nicht oder nicht nur den Diskurs im Sinne einer intellektuellen Auseinandersetzung
auf der Ebene der Sprache als Ausdruck des Verstandes. Er meint vielmehr
ein Zusammenwirken und gegenseitiges Duchdringen aller menschlichen Kräfte:
auch der non-verbalen, auch der unbewußten, auch der vergessenen,
auch der unbändigen...Dabei scheint es mir wichtig zu sein, den Menschen
in seiner Erscheinungsform einmal mehr in einer ganz einfachen und doch
oft vergessenen Dreiheit zu begreifen: als Körper, Seele und Geist.
Der Trialog dieser drei Frauen ist geprägt so haben sie es
mir erzählt von Toleranz, Freundschaft, Achtsamkeit und gegenseitiger
Unterstützung. Er ist für sie ein Ort der Überwindung von
Konkurrenzen und Polaritäten, ein Ort zur gegenseitigen künstlerischen
Inspiration.
Der Trialog zielt aber auch und das ganz wesentlich auf
die Kommunikation mit uns, den Betrachtenden der Kunstwerke. Sie haben
es sicher schon bei einem ersten Blick auf die Kunstwerke bemerkt: die
Künstlerinnen arbeiten alle drei mehr oder weniger
gegenstandslos. Es ist kein Gegenstand vorhanden, an dem der Blick sich
festhalten könnte, der dann wiederum unsere Denkmaschine aktivieren
würde, um alle erfahrungsgemäß und assioziativ gespeicherten
Bilder zur Interpretation heranzuziehen. Weil dieser Gegenstand im Bild
fehlt, ist es notwendig sich erst einmal an der Sinnlichkeit des Bildes
entlangzuhangeln, sich vom Stofflichen, vom Material, von der Farbe, von
der Form berühren zu lassen. Ein zweiter Schritt könnte sein,
den Blick nach innen zu richten : selbst Projektionsfläche und -ort
für die Bedeutung und das Verstehen der Bilder zu werden. Erst insofern
wir selbst in unseren ganz eigenen, subjektiven Erfahrungen uns mit dem
Kunstwerk in Beziehung setzen erst dann ensteht Bedeutung und Sinn.
Diese grundsätzliche Offenheit des Kunstwerks hinsichtlich seiner
Kommunikationsstruktur, wie sie Umberto Eco in seinem grundlegenden Werk
zum Verständnis moderner Ästhetik das offene Kunstwerk
beschrieben hat, meint aber nicht eine Offenheit auf der Bedeutungsebene.
Wer meint, gegenstandslose Kunst könne alles oder nichts
bedeuten, der mißversteht das Kommunikationsangebot dieser Werke.
Jetzt aber zu den Künstlerinnen
selbst:
Unter dem Titel Licht-leicht haben Gabriele Pfaus-Schiller, Ute Renz und
Elena Schmidt mit je drei Bildern und einem Tuch den Kirchenraum der St.
Michaelskirche ausgestaltet. Und zwar zum ersten mal in der Weise, daß
sie die Kunstwerke gemäß der Gegebenheiten des Kirchenraums
schufen. Kommunikation und Wechselwirkung zum und im Raum mit seinen sich
verändernden Lichtverhältnissen haben also eine wesentliche
Rolle für das Entstehen der Kunstwerke gespielt.
Auch der Titel, den sie sich selbst gewählt haben, scheint programmatisch:
Licht-leicht: damit haben sie nicht nur auf einer stofflichen, sinnlichen
Ebene dem Licht und der Leichtigkeit verholfen zum Vorschein zu kommen.
Licht-leicht ist auch Anvisieren eines Ortes vielleicht sogar auch
einer Kirche an dem und in der es uns leichter werden kann, wenn
wir an unsere Grenzen stoßen; ein Ort, an dem es lichter wird, wenn
wir uns begegnen auch und gerade weil wir wissen, daß dem
Licht und der Leichtigkeit sehr oft ein dunkles Tal vorausgeht.
Gabriele Pfaus-Schiller: Jahrgang
1951, lebt und arbeitet in Herrenberg-Gültstein
Wenn sie sich die Bilder von Gabriele Pfaus-Schiller einmal aus der Nähe
ansehen, werden sie feststellen, daß sie sich aus vielen kleinen
Einzelformen zusammensetzen. Diese kleinen, an Ornamente erinnernde Formen,
bringen in einem langsamen, meditativen Prozeß der Formfindung große
Formen hervor. Diese sind Ausdruck eines inneren Bildes, das Ornament
um Ornament, Farbschicht um Farbschicht aus dem Malgrund entsteht. Dabei
spielt Zeit eine wichtige Rolle: in einem ganz langsamen Prozeß
des Malens, der auf die Wirklichkeit des nicht-Sichtbaren und nicht-intellektuell
Verwertbaren achtet, enstehen diese reinen Formen. Ein vielfältiges
Ganzes wird in eine Dynamik von Ruhe und Bewegung versetzt: Raum, Fläche,
Struktur, Farbe und Form beginnen sich vor dem Auge des Betrachters in
einem rhytmischen Wechselspiel zu finden und aufzulösen.
Ute Renz: Jahrgang 1954, lebt
und arbeitet in Gärtringen
Auch Ute Renz geht es in ihren Arbeiten um das Finden oder Auf-Finden
eines inneren Bildes. Auch hier ist das mediative sich-Einlassen auf das
Malen selbst Schlüssel für die Bilderfindung. Erst in einer
Selbstvergessenheit, die den Menschen in seiner Begrenztheit wenigstens
zeitweise ignoriert, ensteht eine um so intensivere Selbstwahrnehmung.
Eine Selbstwahrnehmung, der es gilt, Raum zu schaffen im Bild,
aber auch im Betrachtenden. Eine Selbstwahrnehmung aber auch, die Schicht
um Schicht, Farbschicht um Farbschicht erst ans Licht gebracht werden
muß, um sie dann mit einem Schleier, der das neu entstandene Geheimnis
wahren kann, wieder zu bedecken.
* Elena Schmidt: Jahrgang 1964,
lebt und arbeitet in Hildrizhausen
Elena Schmidt verarbeitet schon verwendete Teebeutel in ihren Bildern.
Daß dieses Abfallprodukt einen eigenen ästhetischen Reiz hat,
entdeckte die Künstlerin zufällig in ihrem Atelier, als sie
nach Tagen einen vergessenen und getrockneten Teebeutel vorfand. Der getrocknete
Tee hinterläßt auf dem dünnen Filterpapier einzigartige
Muster und Strukturen, jede Sorte ihre eigene Farbe. So wird klar, daß
jeder Teefilter auch ein Unikat ist, keine zwei Teebeutel weisen die gleiche
Struktur auf. Um sie für das Bild zu verarbeiten, entfernt Elena
Schmidt den Tee aus den Filtern, bügelt sie und bringt sie in Collagetechnik
auf den Malgrund auf. Auch hier werden Zeitlichkeit und Vergänglichkeit
ganz wichtige ästhetische Kriterien: Licht und Alter der Bilder lassen
die natürlichen Pigmente des Tees verblassen, verändern den
optischen Eindruck des Bildes im Laufe der Zeit und schließen so
den Prozeß des Alterns im Bild selbst mit ein. Zum zweiten möchte
ich den Aspekt der Kommunikation hier nicht unerwähnt lassen: Elena
Schmidt hat mir erzählt, daß sie mittlerweile von ganz vielen
Menschen getrocknete Teebeutel zugeschickt bekommt und es ihr ungeheuer
wichtig ist, daß der Tee auch vorher getrunken wurde. Alles, was
sich an Ereignissen, Gesprächen und auch Emotionen mit diesem Akt
des Teetrinkens und dadurch mit dem Tee selbst verbindet, verarbeitet
die Künstlerin in ihren Werken, baut so ästhetisch und ganz
real an einem Netzwerk der Kommunikation.
Zum Schluß möchte
ich Ihr Augenmerk noch auf etwas lenken, was Sie sicher schon gesehen
haben. Alle neun Bilder sind im gleichen Format gearbeitet und erinnern
- nicht zufällig, wie Ute Renz mir gesagt hat, - an Türen. Türen
haben ja etwas mit Schwellen zu tun, stehen sinnbildlich für Schwellensituationen,
stehen auch für die ungelösten Fragen, die wir haben. Schließen
möchte ich mit einem Zitat von Rainer Maria Rilke, das mir Elena
Schmidt in die Hand gedrückt hat und mir so wieder nahe gebracht
hat. Ich finde, es könnte eine Art Überschrift für das
Projekt Fastenpredigten 2009 sein, oder auch nur für Sie persönlich,
denn nicht immer braucht es die Kirche um Antworten auf ungelöste
Fragen zu finden.
... und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten Geduld zu
haben gegen alles Ungelöste in ihrem Herzen und zu versuchen, die
Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher,
die in einer fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht
nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie
sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben.
LEBEN Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich,
ohne es zu merken, eines fernen Tages die Antworten.
|