Predigten

   
 

Fastenpredigten 2009 "lichtleicht"

1. Fastenpredigt in St. Michael am 1.3.2009
Erkenntnis und Furcht - Wie begegne ich Gott? (Hiob 37, 14-24)
(Roswitha Grosser-Günter und Martin Günter)

Vorspiel

Lied GL 621, 1-3 Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr

Liturgischer Gruß

Hinführung

GL 191 - Psalm 130

Bildbetrachtung - Gedanken zum Bild

Musikstück

Schrifttext Hiob 37, 14-34
Gedanken dazu, Einbettung, Weiterführung

Musikstück

Existenzielle Deutung, Bezüge zum Bild
Teil 1+2

Stille

Lied GL 299, 1-4 Manchmal kennen wir Gottes Willen

Gebet R. Mayer

Vater unser

Lied GL 295, 1-3 Wer nur den lieben Gott lässt walten

Segen und Entlassung

Nachspiel

Hinführung:

Wenn wir uns Gott annähern, stehen wir immer mit leeren Händen vor ihm; die Erfahrung seiner Gegenwart kann uns nur von ihm gewährt werden - er allein kann sie uns schenken. Manchmal sind das helle, lichtreiche, manchmal aber auch schwere und dunkle Erfahrungen - die biblischen Gottesbegegnungen geben uns Beispiel davon; manchmal können wir nur durch das Dunkel hindurch etwas von Gott erkennen, oder besser erahnen, erspüren - so, wie Hiob, der im Spannungsfeld von Erkenntnis, Nichtverstehen, Leid und Gottesfurcht Gott ganz neu erlebt. Der biblische Text und das Bild von Ute Renz wollen uns Impulse geben, wie wir Gott begegnen können.


GL 191, 1+2 Psalm 130


Gedanken zum Bild von Ute Renz:

Ich sehe:

-einen dunklen, violett - grau schattierten Hintergrund

-ein helleres, rosa farbenes Feld in der Mitte

-ein hell, beiges Feld aus Punkten im Vordergrund

-ein buntes Rechteck in violett, rosa, grün, orange, gelb, beige

-dunkelblaue Punkte

Ich entdecke/erkenne:

Auf einem dunklen (violett-grau) bewegten Hintergrund

Eine Blüte/einen Kelch in leuchtendem rosa

Einen fast aus der Mitte erwachsenden Längsbalken, der ergrünt - in dem sich durch helle Farben Licht - Leben - Klarheit Bahn bricht, die himmelwärts strebt

Über der Mitte eine breite Bahn - ein Rechteck - wie ein Schleier aus hellen Punkten gebildet

Einen Grund - einen Boden mit dunkelblauen Punkten, die sich vereinzelt nach oben bewegen - in den hellen Punkteschleier übergehen und im oberen Bildteil in zwei unterschiedlich geformte dunkelblaue Punktespiralen münden (verdichten)


Musikstück


Gedanken zur Einordnung des Schrifttextes Hiob 37, 14-24

"Warum gibt es soviel Leid auf der Welt?" und: "Warum trifft es oft völlig unverschuldet gerade gute Menschen?" - diese Frage, liebe Gemeinde, ist so alt wie die Menschheit selbst. Seit jeher, in allen Kulturen und Religionen beschäftigt sie die Menschen und hat im Laufe der Zeit ganz unterschiedliche Antworten gefunden. Eine Antwort finden wir im AT im Buch Hiob, aus dem unser Schrifttext für heute Abend stammt - aber halt, ich zögere: Eigentlich keine Antwort, sondern eher den Versuch einer Annäherung.

Ein unbekannter Autor erzählt uns da vom Schicksal des reichen, aber gleichzeitig auch sehr gerechten und gottesfürchtigen Hiob. Von einem Tag auf den anderen verliert er alles, was ihm lieb und teuer ist - seine zahlreichen Kinder, seinen gesamten Besitz und schließlich auch seine Gesundheit. Härtere Schicksalsschläge, als ihn treffen, können wir uns nicht vorstellen - seine ganze Existenz wird ihm von einem Tag auf den anderen genommen; ohne alles sitzt er, der Gerechte plötzlich da: von allen verlassen, ausgestoßen aus der Gesellschaft kann er nichts anderes mehr tun, als zu klagen und seine eiternden, schmerzenden Geschwüre mit einer Tonscherbe zu schaben. Der einst wohlhabende, allseits geschätzte und angesehene Hiob ist wirklich ganz unten angekommen - tiefer kann man nicht fallen. Spätere Redaktoren haben das alles in den Rahmen einer Wette gestellt, die Satan mit Gott zuvor abgeschlossen hatte: Satan hatte gewettet, dass er Hiob zum Abfall von Gott bringen werde - und Gott willigte ein, um zu zeigen, dass das nicht möglich sein werde; die einzige Bedingung war, dass Satan das Leben des Hiob verschone. Von diesem Redaktor wurden also die Schicksalsschläge des Hiob als Prüfungen seines Glaubens und als Erweis der größeren Macht Gottes gedeutet; eine Deutung, die aber eben erst nachträglich dazu kam.

Doch wie dem auch sei - Hiob sitzt im Dreck und kratzt seine Wunden. Da kommen drei Freunde, um ihn zu trösten. Sieben Tage und sieben Nächte sitzen sie stumm bei ihm, weil sie sehen, wie groß sein Schmerz ist. Doch dann beginnen sie - leider! - zu reden. Für sie ist - gemäß den damaligen Glaubensüberzeugungen - völlig klar, dass Hiob gesündigt haben müsse und dass ihn deshalb all das Leid getroffen habe; denn einen wirklich Gerechten würde Gott niemals so strafen. Hiob müsse nun seine Schuld erkennen und eingestehen - dazu sei all das Unheil über ihn gekommen. Doch Hiob denkt gar nicht daran, denn er ist sich keinerlei Schuld bewusst. Stattdessen erhebt er unbeirrt und laut seine Klage, verteidigt seine Unschuld vehement den Freunden gegenüber, und ringt mit Gott. Nur eines tut er nicht: Gott verfluchen und sterben, wie ihm seine Frau geraten hatte. Er verflucht zwar den Tag seiner Geburt - aber er hält an Gott fest und ruft ihn zum Zeugen wider die Unterstellungen seiner Freunde auf; er hält an Gott fest, obwohl er ihn nicht mehr verstehen kann und beispiellos unter dem Unrecht leidet, das ihm widerfährt; er hält an Gott fest, obwohl er auch in seinem Glauben nicht mehr weiter weiß, zutiefst verunsichert ist und in all dem Dunkel zu versinken droht. Ja, er rechtet mit Gott, auch wenn ihm seine Freunde und ein Weisheitslehrer mit vielerlei klugen Argumenten dies ausreden wollen; mit aller Macht versuchen sie, Hiob deutlich zu machen, dass mit Gott nicht zu rechten sei - wir hören den Schrifttext des heutigen Abends, der der letzten großen Rede des Weisheitslehrers Elihu entnommen ist:

14 Hör dir dies an, Ijob! Steh still, / um die Wunder Gottes zu betrachten.
15 Weißt du, wie Gott ihnen Auftrag gibt, / wie das Licht seiner Wolke aufstrahlt?
16 Weißt du um der Wolke Schweben, / um die Wunderwerke des Allwissenden?
17 Du, dem die Kleider vor Hitze glühen, / wenn die Erde unter dem Südwind liegt,
18 wölbst du gleich ihm das Wolkenfirmament, / das fest ist wie ein gegossener Spiegel?
19 Lehre du uns, was wir ihm sagen sollen. / Wir können wegen des Dunkels nichts vorbringen.
20 Muß man ihm erst erzählen, wenn ich rede? / Muß es erst einer sagen, / damit es ihm mitgeteilt wird?
21 Und nun, wenn man das Sonnenlicht nicht sieht, / ist es verdunkelt durch die Wolken, / ein Windhauch bläst und fegt sie weg.
22 Vom Norden naht ein Lichtglanz, / um Gott her ist schreckliche Herrlichkeit.
23 Den Allmächtigen ergründen wir nicht, / er ist erhaben an Macht und Recht, / er ist reich an Gerechtigkeit; Recht beugt er nicht.
24 Darum sollen die Menschen ihn fürchten. / Keinen sieht er an, wie weise sie auch sind.

In wortgewaltiger, bilderreicher Sprache weist Elihu auf die erhabene Größe und Gerechtigkeit Gottes hin, der für alles menschliche Denken und selbst für den weisesten Menschen unerforschlich bleibt. Gottes Licht strahlt über allem und ist aus dem Dunkel menschlichen Sinnens nicht erfassbar; ein helles, undurchdringliches Licht, in dem Gottes Herrlichkeit erscheint, angesichts dessen dem Menschen nur die Gottesfurcht bleibt. Ein Gott, mit dem man nicht rechten darf, dem man sich nur unterwerfen kann.

Kluge Argumente; eine gewaltige, überzeugende Sprache, theologische Einsichten - und doch: Hiob hat mehr von der Wirklichkeit Gottes erkannt, oder besser: verspürt als all seine Freunde; denn Gott gibt am Ende dem Hiob Recht: Er, der klagt, aufbegehrt, um seinen Glauben ringt, aber in allem Leid und Unverstehen an Gott als seinem Zeugen festhält, wird von Gott bestätigt. Er allein hat richtig von Gott geredet und muss am Ende Fürbitte für seine Freunde einlegen, damit sie nicht seinem Zorn verfallen. Gott zeigt sich tatsächlich als der Erhabene, Unbegreifbare, in seinem Licht alle menschliche Dunkelheit Übersteigende, dessen Gerechtigkeit und Treue aber doch verlässlich bleibt. Am Ende der Erzählung gibt Gott ihm allein recht, und er bekommt viel mehr zurück, als er zuvor je hatte; er wird von Gott in jeder Hinsicht rehabilitiert. Doch auf die Frage nach dem Warum erhält auch er keine Antwort - die Antwort bleibt in der Größe und Erhabenheit Gottes verborgen; die Größe und Erhabenheit Gottes ist seine Antwort.

Erkenntnis, Nichtverstehen, Gottesfurcht
- wie begegne ich Gott?


Musikstück


Gedanken zur Auslegung - Teil 1

Erkenntnis und Gottesfurcht - wie begegne ich Gott?

Wie begegnet Gott mir?

Hiob kann Gott über weite Strecken seines Weges nicht erkennen.
Er sieht nur sein eigenes Elend, sein Leid, wie schlecht es ihm geht, wie hart ihn das Schicksal getroffen hat....
Um ihn herum ist es dunkel....
Aber - Hiob nimmt dieses Dunkel, sein Leid wahr - er lässt es geschehen....
Er kann sein Leid wahrnehmen und geschehen lassen weil er auf Gott vertraut...
Hiob hält an Gott fest - trotz allem, was ihm widerfährt.
Er hält an Gott fest - auch wenn er nicht mehr weiß, was er noch glauben soll.
Er rechtet mit Gott und sucht so seinen Weg .....

Wir sehen unseren Weg - auch mit Gott oft nur vage - können ihn nicht erkennen...
Manches Mal ist er überdeckt - mit einem Schleier - wie in unserem Bild...
Wir können ihn nur vage schauen - manchmal ein wenig entdecken - erkennen.....
Wir fühlen uns davon angezogen.....
Wir sehnen uns nach Klarheit - Licht - Helligkeit - Freude - Glück....
Doch diese Freude - dieses Licht - das Glück - die Klarheit erleben wir nicht selten erst wirklich auf dem Hintergrund von Schwere, Leid und durchstandener Krankheit....

Halte ich dabei an Gott fest - und sei es im Rechten, im Zweifeln, im Aufbegehren - kann mir das ein Grund , ein Boden sein, der mich trägt, der mich hält.... der mich zu Hingabe befähigt.....

Der mir nach allem Durchleben von Angst, Unsicherheit, Zweifel - den Blick öffnet - durch den Schleier hindurch zum Licht.......


Gedanken zur Auslegung - Teil 2

So sehr Hiob an Gott festhält, auch wenn er ihn nicht verstehen kann; so sehr er etwas von seinem Wesen - wie durch einen Schleier - erahnt: Fertige Antworten bekommt auch er nicht. Gott ist größer, als all unser Vermögen, ihm nahe zu kommen; Gott ist größer als alles, was wir von ihm erfahren, erleben und erspüren können. Manchmal erleben wir sein Licht; manchmal bricht es in unser Leben ein, bricht etwas auf, wo wir seine Gegenwart erahnen können - so, wie in unserem Bild. Doch Sein Licht ist undurchdringlich - zu hell für unsere Augen... Manchmal erfahren wir Dunkel; dann können wir nur hoffen, dass sein Licht da ist, verborgen hinter den Wolken, hinter dem Dunkel, dem Schleier, und dass es sich wieder Bahn brechen wird...
Was bleibt, ist Gottesfurcht im Sinne von Respekt, im Sinne von Gottes Wirklichkeit ernst nehmen, mit seiner Gegenwart in unserem Leben rechnen; was bleibt, ist Demut, die keine blinde Unterwerfung meint, sondern ein Wissen um die eigene Begrenztheit und Bedürftigkeit. In aller Demut dürfen wir Gott aufrecht begegnen, so, wie auch Hiob sich nicht unterwerfen ließ, und ihm unsere Begrenzungen hinhalten, unsere Bedürftigkeit anvertrauen: Manchmal lobend und preisend, manchmal kämpfend und um die Wahrheit ringend, manchmal weinend und klagend.

Keine fertigen Antworten - und doch geht Hiob als ein Anderer aus seinem Ringen mit Gott hervor. Die Erfahrung des Dunkels ist nicht verschwunden - das Dunkle bleibt auch auf unserem Bild zu sehen; aber es hat sich verändert, fügt sich zu neuer Bedeutung zusammen: Aus schwarz gepunkteten Flächen werden klare Formen, werden oben Spiralen - Symbole für Leben, für Dynamik und Kraft; Symbole für das, was zur Mitte führt und uns Wesentliches erfahren lässt. "Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich und atme auf, in Staub und Asche" -sagt Hiob am Ende des Buches. Sein Horizont hat sich geweitet, er ist um eine tiefe, existenzielle Erfahrung reicher - die Gottesbegegnung hat ihn verwandelt. Er, der durch das Dunkel von Unheil und Leid hindurchgeführt wurde, erlebt das Leben in all seinen Farben in neuem Licht - ein Leben in Fülle, das uns allen verheißen ist.


Stille


Roswitha Grosser-Günter und Martin Günter,
Pastoralreferenten in St. Michael und St. Pankratius, Tübingen

Gebet Rupert Mayer:


Herr, wie du willst, soll mir gescheh'n,
und wie du willst, so will ich geh'n, hilf,
deinen Willen nur versteh'n.

Herr, wann du willst, dann ist es Zeit,
und wann du willst, bin ich bereit,
heut' und in alle Ewigkeit.

Herr, was du willst, das nehm' ich hin,
und was du willst, ist mir Gewinn, genug,
dass ich dein Eigen bin.

Herr, weil du's willst, drum ist es gut,
und weil du's willst, drum hab' ich Mut, mein
Herz in deinen Händen ruht.

Lieblingsgebet von Pater Rupert Mayer

 

 

 

 

 

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