Das
ökumenische Kirchenasyl
in Tübingen |
Schwäbisches Tagblatt, 6. Februar 2003, S. 19: Vom Kirchenasyl zum Bleiberecht:
(von links) Die Eltern Mustafa und Hatice Güler (51, 50 Jahre)
und ihre Kinder Ahmet (22), Fatma (28), Sultan (27) haben zweieinhalb
Jahre lang in der Mesnerwohnung der Martinsgemeinde auf einen gesicherten
Aufenthaltsstatus gewartet. Jetzt haben sie Grund zu feiern. Das Ende eines langen KampfesDie kurdische Familie Güler erhält nach 30 Monaten Wartezeit die AufenthaltsbefugnisVon Christiane Hoyer TÜBINGEN. Die kurdische
Familie Güler kann in Deutschland bleiben. Das Regierungspräsidium
Tübingen bestätigte gestern, dass nicht nur die Eltern Hatice
und Mustafa Güler eine Aufenthaltsbefugnis erhalten, sondern auch
die drei volljährigen Kinder Sultan, Fatma und Ahmet. "Wir
können es noch gar nicht glauben", kommentierte der 22-jährige
Ahmet gestern die Entscheidung, die der Familie am Dienstag schriftlich
zugestellt worden war. Seit zweieinhalb Jahren wohnen
die Gülers, im Mesnerhaus der Tübinger Martinskirche (wir
berichteten mehrfach). Dort hatten sie zunächst illegal Zuflucht
vor der drohenden Abschiebung gesucht, ein ökumenischer Unterstützerkreis
betreute die Familie und setzte sich für eine nochmalige Prüfung
des Falls ein. Mehrere Gutachten waren nötig, um die zuständigen
Behörden davon zu überzeugen, dass die in der Türkei
mehrfach gefolterte Hatice Güler nicht in ihr Heimatland abgeschoben
werden darf. Die schwer traumatisierte Frau sowie ihr Ehemann erhielten
daraufhin im vergangenen September eine Duldung ohne zeitliche Begrenzung,
später ein zunächst befristetes Bleiberecht (Aufenthaltsbefugnis). Dass sich nun auch die drei
Kinder nicht mehr "von Duldung zu Duldung hangeln" müssen,
wertet Ahmet Güler als Früchte eines "sehr, sehr langen
Kampfes", zu dem die Tübinger Kirchengemeinden wesentlich
beigetragen hätten. Gülers Rechtsanwalt Manfred Weidmann schilderte
die zurückliegenden 30 Monate als "schwierigen Prozess",
bei dem es sowohl auf politischer als auch auf rechtlicher Ebene "Widerstände
zu überwinden galt". Mit der Entscheidung des Innenministeriums
fühlt sich Weidmann in seinen Bemühungen "bestärkt".
Gülers, stellt er klar, "sind ein Einzelfall und kein Präzedenzfall".
Er werde sich dafür einsetzen, dass ihr zunächst auf ein Jahr
begrenzter Aufenthaltsstatus möglichst bald in eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis umgewandelt wird. Das Tübinger Regierungspräsidium
bestätigte gestern auf Nachfrage, dass es "der Erteilung der
Aufenthaltsbefugnis für die ganze Familie Güler" zugestimmt
habe, nachdem in der vergangenen Woche "grünes Licht"
aus dem Stuttgarter Innenministerium kam. Nun warten Gülers noch
auf ihre Pässe, bevor der Bescheid rechtskräftig wird. Die Behörden "haben
ihr Versprechen gehalten, den Fall Güler mit Augenmaß zu
lösen. Aber sie haben dabei die Uhr vergessen", erklärte
Pfarrer Helmut Zwanger von der Martinsgemeinde. 30 Monate im Tübinger
Wartestand und 13 Jahre ohne gesichertes Bleiberecht in Deutschland
- "das ist unzumutbar", findet Zwanger. Dieser "Zeitfaktor
sei auch finanziell ohne die Kirchengemeinden, den Unterstützerkreis
und die Bevölkerung "nicht tragbar gewesen". Mit rund
50 000 Euro beteiligten sich zahlreiche Spender am "Kirchenasyl"
der Familie. Dass der Fall Güler erst jetzt endgültig entschieden
ist, hängt nach Ansicht von Zwanger mit "verwaltungsinternen
Abläufen" zusammen. Inder Abwicklung des Verfahrens habe es
"viele Fragezeichen" gegeben. "Wer nicht kämpft,
hat schon verloren", zitiert Ahmet Güler ein deutsches Sprichwort.
Kämpfen mussten er und seine Geschwister zunächst um die Rückkehr
in die Legalität und für eine Arbeitserlaubnis. Seit Sommer
konnte er nach langer Pause seine Lehre als Heizungs- und Lüftungsbauer
fortsetzen, seine 27-jährige Schwester Sultan lässt sich momentan
als Kinderpflegerin ausbilden. Die 28-jährige Fatma arbeitet in
einer Bäckerei, und Mustafa Güler hat eine Stelle als Hausmeister
gefunden. Die vergangenen Jahre, sagt Ahmet, "waren für uns
eine große psychische Belastung". In der beengten Mesnerwohnung
habe es "keinen einzigen Tag gegeben, an dem wir nicht über
unsere Situation gesprochen haben". Die Zwei-Zimmer-Wohnung am Kirchplatz der Martinskirche "ist unser Zuhause geworden", so Ahmet. Jetzt aber will sich die Familie eine geräumigere Bleibe suchen. Und reisen: In die Schweiz und nach Frankreich, um Verwandte zu besuchen und endlich das Mittelmeer wiederzusehen. Bisher mussten sich die Gülers für jede Reise innerhalb Deutschlands eine Genehmigung holen. "Es ist schön, mehr Rechte zu haben", freut sich der 22-Jährige. Und hier die Glücksdokumente der Familie Güler und ihres Freundeskreises Schwäbisches
Tagblatt vom Samstag, den 8. Februar 2003 Übrigens
|
10
000 Euro fehlen noch
|