Das ökumenische Kirchenasyl
in Tübingen
Pressemeldungen

Îm Schwäbischen Tagblatt vom 17.5.2001, S. 28:

Zwischen Hoffen und Hoffnungslosigkeit

Gutachten bescheinigt „posttraumatische Störung“/ Kampagne für Familie Güler im Kirchenasyl

TÜBINGEN (hoy). „Wir haben alles verloren, was wir besessen haben.“ Seit neuneinhalb Monaten hofft Hatice Güler im Tübinger Kirchenasyl im Mesnerhaus der Martinskirche auf ein Bleiberecht für sich, ihren Ehemann Mustafa und die drei Kinder. Politisch und juristisch betrachtet hat der Tübinger Arbeitskreis „Ökumenisches Kirchenasyl“ bisher aber für die kurdische Familie Güler „keinen Durchbruch“ erreicht, sagt Pfarrer Helmut Zwanger.

Mit einer breit angelegten Kampagne möchte der Unterstützerkreis demnächst ein weiteres Mal öffentlich auf das Schicksal der Familie aufmerksam machen und die rigide Altfallregelung Baden-Württembergs anprangern. Obwohl die Gülers schon seit über zehn Jahren in Deutschland leben, wurde ihnen nach dieser Regelung kein Bleiberecht gewährt, weil sie am gesetzlich festgelegten Stichtag 19. November 1999 nicht nachweisen konnten, dass sie eine Arbeitsstelle haben und selbst ihren „Lebensunterhalt sichern“.

An jenem Tag aber wurde den Gülers – trotz mehrerer Bescheinigungen, dass sie eine Arbeitsstelle hätten – ebenso die Erlaubnis zur Arbeit verweigert wie zuvor auch schon, weil ihre Duldung abgelaufen war. „Die Stichtags-Regelung ist ein Teufelskreis. Sie ist nicht von Gülers verschuldet, sondern von der Bürokratie“, kritisiert Zwanger. Der Pfarrer hält es außerdem für „menschlich unanständig“, den Gülers ein Bleiberecht zu verwehren.

Vor allem die 48-jährige Hatice Güler, die in den vergangenen Jahren wegen gesundheitlicher Probleme regelmäßig in ärztlicher Behandlung war, leidet unter Angstzuständen, Depressionen und einer „posttraumatischen Störung“. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich ein Arzt von „Refugio“, der „Kontaktstelle für traumatisierte Flüchtlinge“ in Freiburg. Er hat mit Hatice Güler, die in der Türkei misshandelt und gefoltert wurde, sechs Untersuchungsgespräche im Tübinger Kirchenasyl geführt.

In seiner 14-seitigen Stellungnahme kommt er zu dem Ergebnis, dass Hatice Güler aus medizinischer Sicht eine Rückkehr in die Türkei nicht zugemutet werden kann. Wegen ihrer Traumatisierung habe sie außerdem bei den zurückliegenden Asylverfahren (beide wurden abgelehnt) „die wahre Ursache ihrer Flucht“ aus der Türkei im Jahre 1987 gegenüber den Behörden „nicht richtig angeben können“. Ähnlich wie bei „kriegstraumatisierten“ Flüchtlingen, zum Beispiel aus Bosnien, sei Gülers „Aussagetüchtigkeit eingeschränkt“ gewesen.

Aus Sicht von Gülers Tübinger Rechtsanwalt Manfred Weidmann kann die 48-Jährige wegen ihrer Krankheit in der Türkei „nicht behandelt werden“. Er hat daher beim Freiburger Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eine „Aussetzung der Abschiebung“ beantragt. Doch ein Bleiberecht, so Weidmann, wäre juristisch nur für das Ehepaar Güler möglich. Die Kinder Ahmet (19 Jahre), Sultan (26) und Fatma (27) könnten allenfalls bei einer liberaleren Auslegung der Altfallreglung legal in Deutschland bleiben – ihr ältester Bruder Ali dagegen wurde bereits 1995 als Asylbewerber anerkannt.

Das Warten auf eine Lösung im Kirchenasyl macht „mürbe“, berichtet Pfarrer Zwanger über Gülers Situation. Aber der Unterstützerkreis besucht nach wie vor kontinuierlich die kurdische Familie, kümmert sich um Spenden und schreibt Briefe. Allzu viel Echo haben die 25 Ehrenamtlichen bisher jedoch nicht bekommen. Mit Sozialminister Friedhelm Repnik habe man einen „Gesprächsfaden geknüpft“ und hoffe auf einen Dialog, sagt Zwanger. Von der Landessynode erwartet er demnächst außerdem ein „öffentliches Signal“. In einem Brief an die Präsidentin Dorothee Jetter bittet Zwanger zu einem Synodal-Beschluss. Das Gremium soll danach „die Forderung des Ökumenischen Kirchenasyls Tübingen an die Landesregierung unterstützen, dass auf die Familie Güler die Altfallregelung angewandt wird“.

 

 

 

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