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Pressemeldungen
Îm Schwäbischen
Tagblatt vom 20.11.2001:
Die Worte fehlen
Achmed
Güler berichtete in Gomaringen
GOMARINGEN. Seit
fast eineinhalb Jahren lebt Achmed Güler mit seinen Eltern und
Geschwistern im Tübinger Kirchenasyl. Neun Kirchengemeinden und
zahlreiche Organisationen, Einrichtungen sowie Privatpersonen unterstützen
inzwischen die Familie und fordern ein Bleiberecht für die von
der Abschiebung bedrohten Gülers. Davon zeugen auch die rund 5400
gesammelten Unterschriften.
"Mir fällt es gerade schwer, zu sprechen, ich finde nicht
die Worte", versuchte Achmed Güler zu erklären. Das sagte
der zwanzigjährige Kurde mehrere Male, als er am Sonntagabend im
Gomaringer Schloss (eingeladen hatte die Gomaringer Initiative gegen
Fremdenhass) die Leidensgeschichte der Gülers schilderte, die zugleich
fast seine ganze Lebensgeschichte ist: Die Eltern Hatice und Mustafa
Güler sind seit 1987 auf der Flucht, 1990 kamen Achmed und sein
Bruder Ali aus ihrem kurdischen Heimatdorf Maras nach Deutschland, die
beiden Schwestern Fatma und Sultan folgten ein Jahr später.
Ungewöhnlich waren am Sonntag Ort und Rahmen, ungewöhnlich
deshalb, weil die Öffentlichkeit eingeladen war, die die Gülers
zugleich bedroht, als "Illegale" aufzufallen. Das weiß
Achmed Güler: "Doch an die Öffentlichkeit zu gehen, ist
unsere einzige Chance."
Achmed Güler spricht offen und erzählt von der Situation im
kurdischen Teil der Türkei, von Übergriffen, Vergewaltigungen,
Mord, den Gefängnissen. Auch dies fällt ihm nicht leicht,
denn es werden Erinnerungen an seine Heimat wach, die er verloren hat.
Allein 4500 Schulen seien dort in den vergangenen Jahren geschlossen,
mehr als 50 000 Dörfer für den Bau von Staudämmen geflutet
worden, sagt er. "Unserer Familie geht es nicht gut." Achmed
Gülers Mutter ist sehr krank, ihn zwang man, seine Ausbildung kurz
vor dem Abschluss abzubrechen.
Der Unterstützerkreis hilft den Gülers, Freundschaften sind
entstanden. Jetzt gibt es Verhandlungen mit dem Stuttgarter Ministerium.
Es wäre nur gerecht, den Gülers ein Stück Heimat wieder
zurückzugeben.
Hermann Schuh
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