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Kirch am Eck
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Gerechtigkeit,
Friede und Texte |
Im Internet findet
man unter der Adresse http://www.wecker.de/cgi-bin/cgi_tagebuch1
einen Auszug aus dem Tagebuch Konstantin Weckers. Wecker machte nicht
nur in der Vergangenheit Schlagzeilen wegen seiner persönlichen
Probleme, sondern er hat auch durch seine Umkehr und den Neuanfang ein
Beispiel von Humanität gegeben. Er hatte den "aufrechten Gang"
nicht verlernt: TagebuchDienstag, den 5. Februar 2002 Offener Brief an den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude
ich werde nie vergessen,
wie Du mir, in einer für mich sehr schweren Zeit, die Hand gereicht
hast und mir nicht, wie viele Andere, aus dem Weg gingst. Deine kabarettistischen Einlagen sind von höchster Qualität, professionell und geistreich - kurzum: was für ein Oberbürgermeister! Und nun stürzt Du mich in eine tiefe Gewissensnot. Grade als ich dabei war,
mich für Deine Wahl stark zu machen, versetzt Du München einen
Stoß, von dem sich die Stadt nur schwer erholen wird. Im Internet habe man vermehrt zur Gewalt aufgerufen, war das Argument des Verwaltungsreferats - aber es weiß doch jeder, der das Netz kennt, wer sich dort alles tummelt, was für Schrott dort auch abgesondert wird. Schau Dir doch bitte mal die Eintragungen auf den Websites der Fußballvereine an. Nach dieser Methode dürfte man kein Fußballspiel mehr zulassen. Auch das Oktoberfest ist voll von potentiellen Gewalttätern. Wollen wir es deshalb verbieten? Und, ehrlich gesagt, der agent provocateur hat es nirgendwo leichter als im Netz! Du glaubst nicht an den Gewalt
provozierenden Staatsdiener? Dann hör Dir mal die Berichte von
DemonstrantInnen an, die viele, als Autonome verkleidete Zivilbeamte,
gut im Auge hatten. Aber Du hast das martialische Polizeiaufgebot ja nicht gesehen, Du warst bei der Waffenlobby und den Kriegstreibern im Bayrischen Hof. Das ist Deine Pflicht als Bürgermeister, aber ebenso ist es Deine Pflicht, die Meinungsvielfalt zu beschützen. Wir sind zwar im Krieg, aber müssen wir auch Krieg führen gegen die Menschen im eigenen Land, die nicht einfach die Augen zu machen wollen, wenn Herr Stoiber mehr deutsche Soldaten für die Welt fordert und die USA der ganzen Welt den Krieg erklären will? Ich habe volles Verständnis dafür, dass Du München vor Gewalttätern schützen willst - aber dann hättest Du nicht nur die Autobahnen sperren sollen, sondern vor allem den Flughafen und viele Konferenzteilnehmer wieder nach Hause schicken sollen. Wer bitte ist ein Gewalttäter, wenn nicht die Militärstrategen und Minister eines kriegführenden Landes? Denen werden Luxusunterkünfte bezahlt und kritischen Jugendlichen, die wir so dringend brauchen, keine Billigunterkunft zur Verfügung gestellt. Warum hast Du Dir diese so erfrischend unangepassten Jugendlichen nicht zu Freunden gemacht? Warum das "Eine Welt Haus" für Veranstaltungen gesperrt, anstatt dieses Forum zur Information zu fördern? "Die Tabuisierung bestimmter Fragen und Themen hat juristische, sozialpsychologische und politische Konsequenzen. Juristisch führt die Erkenntnis, dass wichtige Fragen durch Verschweigen ausgeblendet werden, zu einer Relativierung des Wertes der Kommunikationsgrundrechte." (Hans Herbert von Arnim: Das System, die Machenschaften der Macht). Unabhängig davon, welche Meinung Du persönlich zum Thema Krieg gegen den Terror hast, hättest Du ein Gegengewicht zu den kriegstreiberischen Unterredungen im Bayrischen Hof zulassen müssen. Wir alle - auch Du - hätten nur dazulernen können. Erich Kästner schrieb
einmal: Wie sehr ich auch weiterhin Deine persönlichen Qualitäten nicht in Frage stellen werde, so kann ich doch diese Politik nicht mehr gut heißen. Du wirst sicher Verständnis dafür haben, dass ich Dich bei diesem Wahlkampf nicht, wie zugesagt, musikalisch unterstützen kann. Ich bitte Dich, sollte die nächste Tagung wieder in München stattfinden, den Gegnern des Militarismus die Möglichkeit zu bieten, ein Friedensfest zu feiern, zu demonstrieren und zu informieren. Wie schreibt Eugen Drewermann
so treffend: In diesem Sinne
So friedliebend bin ich nun
wieder nicht Aber Steine werfe ich keine Frieden ist nicht einfach
ein Zustand zwischen zwei Kriegen |
Im
Tagesspiegel undter der Adresse http://www2.tagesspiegel.de/archiv/2002/01/12/ak-sn-in-558560.html
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