Pressemeldungen
Schwäbisches
Tagblatt/Südwestpresse 28. Januar 2004, Südwestumschau:
ASYL / "Fall Thi und
Duc": Ausländerbehörden befürchten Welle von Berufungsfällen
Die Abschieber
fühlen sich vorgeführt
Die Rückholaktion
für zwei vietnamesische Schüler nach Königsfeld bereitet
den Ausländerbehörden Sorgen. Sie befürchten jetzt eine
Welle von Berufungsfällen.
DIETER FRAUENHEIM
KÖNIGSFELD Wenn
alles gut geht, können die Geschwister Thi und Duc Nguyen aus Hanoi
schon im Frühjahr wieder in Deutschland sein, um in Königsfeld
und Villingen-Schwenningen ihre Schulabschlüsse zu machen. Die
beiden 19 und 17 Jahre alten Vietnamesen hatten zuletzt mit ihren Eltern
in Königsfeld gelebt und dort sowie in Villingen-Schwenningen die
Schule besucht.
Thi stand kurz vor dem Abitur,
ihr Bruder war Realschüler. Im Oktober letzten Jahres waren sie
zusammen mit ihren Eltern abgeschoben worden. Die Ausweisung der Geschwister
hat das Innenministerium auf Wunsch von Ministerpräsident Erwin
Teufel rückgängig gemacht. Bei Teufel hatten vor allem die
Schulleitung der Zinzendorfschulen in Königsfeld und auch der Freiburger
Erzbischof Robert Zollitsch zusammen mit seinem Rottenburger Kollegen
Fürst interveniert.
Die Rücknahme der Abschiebung
ist bei den Ausländerbehörden im Land auf große Skepsis
gestoßen. Es wird bereits von einem Präzedenzfall gesprochen,
auf den sich bestimmt viele abgelehnte Asylbewerber in ähnlichen
Situationen berufen könnten. Teufel und sein Innenminister hätten
eine "Lex Thi und Duc" geschaffen, die noch Probleme bereiten
werde, lautet die allgemeine Befürchtung. "Wenn sich jemand
in Ausbildung befindet oder einen Job hat, werden wir vorerst wohl nicht
mehr abschieben", kündigte gestern Albert Schelb, Pressesprecher
des Regierungspräsidiums Freiburg als Reaktion auf die Verfügung
des Innenministerium an..
Das Regierungspräsidium
war die letzte zuständige Behörde für die Ausweisung
der Familie Nguyen. Die Mitarbeiter der Bezirksstelle für Asyl
und ihr Chef, Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg, fühlen
sich vorgeführt. "Wir sind nur die kleinen Indianer und müssen
nach den Paragraphen handeln", rechtfertigt Schelb die Abschiebung.
Gnade vor Recht bleibe einer politischen Entscheidung vorbehalten.
Wann die Geschwister wieder
in Deutschland eintreffen, steht noch nicht fest. Die Kosten für
den Aufenthalt sind erst für Thi beisammen. Dafür kommen die
Zinzendorfschulen auf. Die Finanzierung des Aufenthaltes von Duc ist
noch nicht geregelt. Weil er noch nicht volljährig ist, besteht
außerdem die Gefahr, dass er vielleicht nur mit seiner Mutter
ausreisen darf. Besteht man in Hanoi darauf, muss Stuttgart erneut entscheiden.
Dann wären plötzlich wieder drei von vier abgeschobenen Familienmitgliedern
in Königsfeld. Beide Geschwister müssen laut Anordnung des
Innenministeriums bei der Erteilung der Ausreisegenehmigung unterschreiben,
dass sie nach Abschluss der Schulausbildung wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Dies wird schon heute von
Asylexperten bezweifelt. Denkbar wäre, dass Thi sich vielleicht
an den Petitionsausschuss wendet, damit sie nach ihrem Abitur an den
Zinzendorf-Schulen in Deutschland studieren darf.
Lesen Sie dazu noch die
Meldungen in der Stuttgarter Zeitung und
den Stuttgarter Nachrichten vom 31.1.2004
mit jeweils einem Interview mit Baden-Württembergs Innenminister
Thomas Schäuble.
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