Kirchenasyl allgemein

 
 
 

Abschiebe-Praxis, Kirchenasyl und Amtskirche

 

  »Die wohlhabenderen Nationen sind verpflichtet, so weit es ihnen irgend möglich ist, Ausländer aufzunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden können. Die öffentlichen Autoritäten sollen für die Achtung des Naturrechts sorgen, das den Gast unter den Schutz derer stellt, die ihn aufnehmen.«
(Katechismus der Katholischen Kirche, Ziffer 2241, München 1993, 571f.)

Noch deutlicher im Hinblick auf Kirchenasyl wird die Ziffer 2242: »Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Autoritäten nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam zu verweigern, falls deren Forderungen dem rechten Gewissen widersprechen, findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft. ‚Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!’ (Mt 22,21). ›Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen‹ (Apg 5,29).«

»Wo jedoch die Staatsbürger von einer öffentlichen Gewalt, die ihre Zuständigkeit überschreitet, bedrückt werden, sollen sie sich nicht weigern, das zu tun, was das Gemeinwohl objektiv verlangt. Sie haben jedoch das Recht, ihre und ihrer Mitbürger Rechte gegen den Mißbrauch der staatlichen Autorität zu verteidigen, freilich innerhalb der Grenzen des Naturrechts und des Evangeliums« (Vaticanum II, Gaudium et spes 74,5).

 

 

 

Die Frage nach der Gewährung von Kirchenasyl für Flüchtlinge erwächst aus der Kluft zwischen dem Schutzbedürfnis der Flüchtlinge und der tatsächlichen Praxis von Ablehnung ihrer Asylbegehren und der sie bedrohenden Abschiebung.

Kirchenasyl beruht auf der bewußten Entscheidung einer christlichen Gemeinde, die zu dem Schluß kommt, daß der Staat in seiner Abschiebepraxis zu »korrigieren« ist: Wenn er die betroffenen Personen durch Abschiebung einer drohenden Gefahr an Leib und Leben preiszugeben bereit ist, setzt christliche Gemeinde dagegen: »Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen« (Act 5,29).

Kirchenasyl ist ein Mittel der »ultima ratio«: Erst wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, ist dies die letzte Möglichkeit, um schützend zwischen Flüchtlinge und Behörden zu treten um nochmals eine sorgfältige Überprüfung des Einzelfalles einzufordern.

Kirchenasyl hat auch einen öffentlich-politischen Charakter: Im konkreten Fall ist dies der Horizont der dramatischen Situation, daß Kurden in die Türkei abgeschoben werden, obwohl sie dort erwiesenermaßen vor Gefängnis und Folter nicht sicher sind.

Die Gemeinde, die Kirchenasyl gewährt, stellt sich bewußt an die Seite der Ohnmächtigen und laßt sich mit ihnen auf einen gemeinsamen Weg ein. Sie ist wanderndes Gottesvolk, Kirche im unterwegs.

Susanne Büttner, Asylpfarrerin in Reutlingen


 
 

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