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         Schwäbisches 
          Tagblatt vom 16. Januar 2003: 
        Ein Blues 
          für Bagdad 
          
        Tübinger Friedensgruppe 
          zurück aus dem Irak 
          
        BAGDAD / TÜBINGEN 
          (uha). Die Gitarren blieben als Geschenk dort, auch ein Friedensaktivist 
          aus der Gruppe ist noch in Bagdad. Gestern kehrte die elfköpfige 
          Delegation der Tübinger "Gesellschaft Kultur des Friedens" 
          aus dem Irak zurück. 
            
        "Ich denke schon, dass 
          Anspruch und Wirklichkeit zusammenkommen", zog der Tübinger 
          Vorsitzende von "Kultur des Friedens" Henning Zierock nach 
          einer Woche Aufenthalt in Bagdad Bilanz. Am Sonntag vor einer Woche 
          war die von ihm und Heike Hänsel zusammengetrommelte Friedensdelegation 
          mit dem medienwirksamen Münchner Liedermacher Konstantin Wecker 
          über Jordanien in den Irak aufgebrochen. Vorgenommen hatte sich 
          die Gruppe "Begegnungen mit den Menschen im Irak", so Zierock 
          vor der Abreise, "denn auf Menschen, die man kennt, schießt 
          man nicht so schnell". 
           
        Und Begegnungen gab es auf 
          allen Ebenen: mit Tarik Aziz, dem stellvertretenden Premierminister 
          des Landes ebenso wie im Elendsquartier der irakischen Hauptstadt, dem 
          von zwei bis drei Millionen bevölkerten Stadtteil Saddam City. 
          Die Gruppe um Wecker und Zierock besuchte eine Kinderklinik und eine 
          Musikschule, sprach mit Germanistikstudenten und Künstlern, tauschte 
          sich mit internationalen Friedensgruppen aus und informierte sich über 
          die Arbeit regierungsunabhängiger Hilfsorganisationen. 
           
        Fast nirgendwo in der mit 
          überlebensgroßen Abbildern des Präsidenten Saddam Hussein 
          zugepflasterten Stadt waren die Folgen des seit zwölf Jahren verhängten 
          Embargos zu übersehen, überall die Ängste vor einem erneuten 
          Krieg zu spüren. Doch zu den bewegendsten Eindrücken der Reise 
          gehörten nicht nur Bilder von Not und Elend. Bereits am Tag nach 
          der Ankunft in Bagdad hatte die Gruppe an einer Mahnwache vor dem Schutzbunker 
          teilgenommen, in dem am 15. Februar 1991 rund 450 Zivilisten durch zwei 
          gezielte US-amerikanische Bomben umgekommen waren. Organisiert hatte 
          die Aktion die Initiative "peaceful tomorrows", eine Gruppe 
          Angehöriger von Opfern der Attentate am 11. September 2001 in den 
          USA. Sie demonstrierten gemeinsam mit Irakern, die in dem Bunker in 
          Bagdad teils ihre gesamten Familien verloren, für die Aufhebung 
          des UN-Embargos und gegen den Krieg. 
           
        Das von Beginn an geplante 
          Konzert mit Konstantin Wecker fand am Montag im Al Rabbat-Theater statt. 
          Neben dem Liedermacher aus Deutschland beteiligten sich irakische Künstler 
          und ein US-amerikanischer Kriegsveteran. Rund 300 Gäste, darunter 
          viele, die von der Tübinger Gruppe in den Tagen zuvor eingeladen 
          worden waren, beklatschten neben Wecker-Songs auch klassische europäische 
          und irakische Musik und hörten Gedichte, die einst gegen den Vietnamkrieg 
          verfasst worden waren. 
           
        Er wolle mit diesem Konzert 
          "dem Kult des Krieges die Kultur des Friedens" entgegensetzen, 
          hatte Wecker eingangs gesagt und spielte unter anderem auch "Sag' 
          nein" -"ein Lied gegen Dummheit, Ignoranz und Fremdenfeindlichkeit". 
          Als er an dem heruntergekommenen Flügel schließlich noch 
          einen "bayerischen Blues" hämmerte, dass der Lautsprecher 
          auf der vom Saddam-Portrait befreiten Bühne wackelte, hielt es 
          viele im Saal nicht mehr auf den Sitzen. "Wir brauchen diese Musik", 
          murmelte am Ende unter Tränen ein Zuhörer, "hier gibt 
          es sonst fast nur Militärmusik." 
            
        
          
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