http://konstantin.wecker.bei.t-online.de/Politisches%20Forum.htm
...und ich
begehre, nicht schuld daran zu sein!
Von Konstantin Wecker
"Auferstanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,
und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand."
Mit diesen düsteren
Worten beginnt das aufwühlende Gedicht "Der Krieg" des
früh verstorbenen expressionistischen Dichters Georg Heym. (1887
- 1912)
Er könnte es heute geschrieben haben.
Es wird wieder gezündelt.
Gezielt und rücksichtslos. Viele Talkshows, Rundfunk und Fern-sehsendungen
entarten mittlerweile zu Werbeveranstaltungen für den Segen des
Militarismus. Honorige Politiker streuen zielbewusst Unwahrheiten und
Dummheiten in die Runde und sprechen über den Krieg, als ginge
es um eine Schachpartie.
Man diskutiert über
Strategien und Taktiken, Geopolitik und ökonomische Vor- und Nachteile
einer "Intervention", man ereifert sich über Massenvernichtungswaffen
in den Händen von Schurken, und natürlich wagt es keiner logisch
zu folgern: Da wo die meisten Massenvernichtungswaffen lagern, wird
wohl auch der größte Schurke sein. Bush sagte: "Wir
werden es nicht dulden, wenn die schlimmsten Waffen der Welt in den
Händen eines der schlimmsten Führer der Welt bleiben."
Richtig. Schau in den Spiegel, Kumpel. Du bist es - das ist Harold Pinters
Antwort auf diese "Selbsterkenntnis" Georg W. Bushs.
Der Mensch im Mittelpunkt?
Man philosophiert wortreich
über die Notwendigkeit des Krieges, aber nie spricht einer über
Menschen!
Unter den Trümmern jeder
Bombe verenden Kinder, auf deren Kosten wir unsere Machtspiele austragen,
unsere Ideologien rechtfertigen, unsere Unfähigkeit demonstrieren,
zuzuhören, einzusehen, zu verstehen und zu verzeihen.
Nie spricht einer über
die Iraker und Amerikaner, die in diesem Krieg sterben werden, Arme
und Beine verlieren werden, noch Jahrzehnte später an den Folgen
der Verseuchung verrecken, und sich sorgen um das Kostbarste, das einem
das Leben mitgegeben hat: ihre Kinder.
Wenn über Tote gesprochen
wird, dann in Form von Statistiken. Opfer werden abgewogen. 1000 Iraker
gegen einen US- Soldaten oder wie wärs genehm, um in der Heimat
keinen Widerstand zu provozieren?
Aber jeder dieser Toten ist
doch ein Mensch, mit einem eigenen Schicksal, eigenen Hoffnungen, Träumen,
Sehnsüchten, jeder hatte eine Kindheit, jeder hat Familie und keiner
will sterben. Kein Lebewesen will sterben, es sei denn man funktionalisiert
es als fanatischen Patrioten oder Gotteskrieger.
Solidarität mit Amerika?
Jeder unserer Politiker -
welcher Partei auch immer er sein Jawort gegeben hat - weiß, dass
es in diesem Krieg gegen den Irak nur um Öl und Macht geht, um
die endgültige Kontrolle der Welt und ihrer Bodenschätze und
um die Schaffung eines neuen Feindbildes, um einem völlig pervertierten
Rüstungswahn Berechtigung zu verleihen.
Keiner hat den Mut, das a
uch nur anzusprechen. Geschweige
denn, zu Ende zu denken.
Viele Amerikaner haben diesen Mut, wie zum Beispiel Ramsey Clark, der
in einem Brief an die Mitglieder der Vereinten Nationen George Bush
bezichtigt, die Vereinigten Staaten in eine weltweite Gesetzlosigkeit
endloser Kriege zu führen und die UN und alle anderen Nati-onen
dorthin mitzunehmen.
Es gibt ja nicht nur das
Amerika des W. Bush und seiner Pentagon-Junta, wie die Bande von Gore
Vidal so treffend genannt wird, nein es gibt ja auch das Amerika seiner
brillanten und geistreichen Kritiker.
Das Amerika des Morris Berman,
Thomas Frank und Howard Zinn, der Susan Sontag, Erika Jong und der Naomi
Klein, des Noam Chomsky und Philip Roth, und, nicht zu vergessen, eines
Michael Moore, der sich seit einiger Zeit aufmacht, die Regierung im
Alleingang aufzumischen.
Mit diesen und so vielen
anderen, klar denkenden und kritischen US-Bürgern und Ihrem Amerika
habe ich keine Solidaritätsprobleme.
Aber anstatt diese mutigen
Apologeten, die fast alle von den amerikanischen Medien als "unpatriotisch"
verteufelt und teilweise mit Berufsverbot bestraft werden, zu unterstützen,
haben sich unsere Politiker einen Maulkorb auferlegt. Lediglich aus
vorauseilendem Gehor-sam und aus Angst, dem großen Bruder die
Solidarität zu seinen Vernichtungsorgien zu verweigern.
Kein SPD Politiker, kein
Grüner kann mit dieser konzerngesteuerten Marionette an der Spit-ze
der mächtigsten Nation der Erde einverstanden sein. Aber alle fangen
an infantil zu grinsen, wenn er ihnen ein wohldosiertes, gönnerisches
Lächeln schenkt.
Warum fragen wir unsere bundesdeutschen
Kriegstreiber nicht einmal, ob sie denn selbst bereit wären, in
den Krieg zu ziehen, ihre Kinder zu opfern?
Weshalb verdorrt ihnen nicht
die Zunge in ihren Schandmäulern, wenn sie andere Menschen für
ihre kranken Vorstellungen mit einem Achselzucken ins Verderben stürzen?
Beweggründe des Terrors
Muss ich jetzt noch erklären,
dass Terror gegen Menschen in keinem Fall meine Zustimmung findet?
"Jedes einzelne Menschenleben
ist kostbarer als die Befreiung der ganzen Menschheit", schreibt
Jean-Jacques Rousseau, wohl wissend um den Wahn der Mächtigen und
der Machtgierigen, ihr Morden stets als Kampf für die Freiheit
zu tarnen.
Aber nur wenn man die Täter
zu verstehen lernt, kann man weitere Opfer vermeiden.
Die offiziellen Beweggründe
des wirtschaftlichen und staatlichen Terrors gegen die so ge-nannte
dritte Welt sind natürlich der Schutz der Menschenrechte oder
der Freiheit. Dahinter steht aber in Wirklichkeit, wie jedem denkenden
und selbstkritischen Menschen bekannt: seelische Verödung und die
Unfähigkeit mitzufühlen, auf Grund von Identifizierung mit
autoritä-ren Strukturen. Gehirnwäsche durch Werbung und TV
Sendungen für unkritische Konsumenten, oft verdummenden Schwachsinns,
tun ihr Übriges. Das führt zu einer Gier nach materiellen
Gütern, die nie das ersetzen können, wessen wir verlustig
sind, so dass unsere Gier nie befriedigt werden kann. Ruhm und Macht
müssen dann eine innere Leere ausfüllen, aber wir werden niemals
damit unser eigenes Selbst berühren.
Henry Kissinger hat in seiner
Dissertation in den fünfziger Jahren geschrieben, es sei das Charakteristikum
einer unstabilen oder, wie er es nannte, einer revolutionären Nation,
dass sie sich ständig akut bedroht fühle: "nur die absolute
Sicherheit - die Neutralisierung des Gegners - wird als ausreichende
Maßnahme akzeptiert, folglich bedeutet das Streben dieser einen
Macht nach absoluter Sicherheit die absolute Unsicherheit für alle
anderen." Diese Beschreibung trifft ziemlich exakt auf die Supermacht
USA zu, auf ihre Hysterie an der Heimatfront, ihre Missachtung internationaler
Verträge und Institutionen, ihre Rechtfertigung des präventi-ven
Erstschlags, sogar mit Atomwaffen. Das ist eine wunderbare Sache für
die Waffenlieferanten, aber nicht so gut für den Rest der Welt.
(Lotta Suter in WoZ online)
Die Beweggründe der
Terroristen hat Eugen Drewermann treffend zusammengefasst:
"Im ganzen 20. Jahrhundert
hat es in den Ländern der heutigen Dritten Welt unter dem Imperialismus
der westlichen Staaten keine Freiheitsbewegung gegeben, nur eine lange
Phase des-sen, was wir "Guerilla" oder "Terror"
nennen. Terrorismus ist also in der Asymmetrie der Kriegsführung
die Waffe der Unterlegenen. Er ist eine Ersatzsprache für Zielsetzungen
und Forderungen, die allzu lange überhört wurden. Ein weiterer
Grund für den Terror ist die sich gebärdende westliche Arroganz
im Kulturgefälle, wenn man so will, die narzisstische Krän-kung
eines riesigen Kulturraums. Wir bräuchten sehr viel mehr Fingerspitzengefühl
und mehr Verständnis für die andere Seite und wir müssten
abrücken von absurden Feindbildern."
Warum haben gerade wir Deutschen
nicht endgültig die Schnauze voll von diesen absurden Feindbildern?
Und sollten nicht gerade diejenigen, die völlig zu Recht die schmutzige
und verbrecherische Idee einer jüdischen Weltverschwörung
in den Bereich der Geisteskrankheiten verweisen, sich hüten vor
dem Mythos einer islamistischen Weltverschwörung?
Menschlichkeit und Mitgefühl
Wie wichtig muss einem die
eigene Position, das festgefahrene Weltbild, der eigene Wohlstand sein,
um alle Gesetze der Menschlichkeit und des Mitfühlens über
Bord zu schmeißen und Kriege zu fordern, wo Güte und Hilfe
das einzig mögliche Mittel wären?
Kann denn wirklich die eigene
politische Zukunft entscheidender sein als das Elend von Millionen von
Menschen?
"Das Blut versickerte
im Boden, die Ratten, die in den Schützengräben lebten, fraßen
das Gehirn, das aus dem offenen Schädel quoll, der Bauch war aufgeschwollen
und diente einer ganzen Generation von Schmeißfliegen als Brutstätte,
das Ganze, das unzerstörbare Skelett, die Fetzen getrockneter Eingeweide
und Haut, in Khaki gewickelt."
Das schrieb Dos Passos in
seinem Roman 1919 und einzig solche Sätze sind dem Thema angemessen.
Warum höre ich sie kein
einziges Mal im Bundestag? Warum beschränkt sich das auf Thea-teraufführungen
und Friedenskundgebungen?
Weil es im Bundestag nichts
zu suchen hat? Was bitte hat im Bundestag etwas zu suchen wenn nicht
die Belange der Menschen, ihr Leben, ihr Leiden, ihre Hoffnung, ihre
Wut?
Da wird abgelenkt mit Steuerprozent
und Streitigkeiten um so genannte "Neidsteuer", da erregt
man sich über die "Stigmatisierung" der Superreichen,
während in dem Land, das jetzt, vermutlich auch mit unserer Hilfe,
vernichtet werden soll, 49% der Familien nicht genug Geld haben, um
für ihre Grundbedürfnisse aufzukommen.
"Wenn wir nicht schnell
was tun, wird der Irak abgeschlachtet," so Scott Ritter, ein ehemaliger
UN-Waffeninspekteur.
Wir feiern uns selbst in
Spendenshows für kranke Kinder und sind nicht mutig genug in einer
dieser Fernsehshows das auszusprechen, was das Wichtigste wäre
für alle Kinder dieser Welt: Nie wieder Krieg!
Oder sind deutsche Kinder
doch bessere Kinder als irakische Kinder? Besser als Kinder von Eltern,
die in einem Schurkenstaat geboren sind.
Mit dem Frieden anfangen
"Wir wollen Eure Kriege
nicht, wir sind es leid!
Wir wissen schon zu viel, um noch zu schweigen.
Es ist jetzt allerhöchste Zeit
Sich zu bekennen und Gesicht zu zeigen."
Ja, ich weiß, auch
die Bellizisten reden von Frieden, von dem Frieden nach dem großen
Schlachten, dem finalen Frieden nach dem Krieg.
Aber Frieden ist nicht der
Zustand zwischen zwei Kriegen.
Wer Frieden will, muss mit dem Frieden anfangen, sagt Gandhi.
" Der Krieg bringt die
Welt nicht vorwärts, er schiebt nur auf, wirft nur den Leidenschaften
vorübergehend neue Ziele hin, und nachher, früh oder spät,
wird die soziale Not wieder daste-hen, groß und furchtbar wie
nie zuvor," schreibt Hermann Hesse, und weiter: "wenn ein
Ge-neral einmal einen Moment beim Verdauen nachdenklich wird, so stellt
sich ihm zur Verherrlichung seines Tuns gleich die ganze falsche Pracht
der Geschichtsphilosophie zur Verfügung. ...Ich bin weit von aller
Geschichtsphilosophie abgerückt und hüte mich im Einzelnen
den Kriegen und anderen Gräueln einen Sinn zu geben. Aber ich glaube
nach wie vor an den Menschen und dass er aus allen Verzerrungen der
Rückkehr zur Vernunft und Güte fähig ist."
Respektieren statt demütigen
Kriege werden geführt
von Menschen, denen sie Vorteil bringen.
Entweder direkten Geldgewinn oder Gewinn an Ansehen und Macht.
Eine "großindustrielle
Oligarchie" (Robert Kaplan) die sich ein "demokratisches Mäntelchen
umhängt" und unsere Medien wie Marionetten in ihrem Interesse
tanzen lässt, entmündigt uns immer mehr und versucht ihre
Kriege als humanitäre Aktionen zu verkaufen.
Und wir sollen glauben, dass
dies alles vernünftig sei, weil es uns von anscheinend besonnenen,
hochrangigen Männern verkauft wird.
Aber man ist nun mal nicht automatisch vernünftiger, weil man von
Frau Christiansen oder Herrn Kerner eingeladen wird und vorfabrizierte
Sprüche mit autoritärem Gehabe verbreitet. Die Vernunft und
vor allem das Mitgefühl sind doch bei den meisten auf dem langen
Karrieremarsch durch die Institutionen auf der Strecke geblieben.
Es gibt Politiker, die verkaufen
uns die Massenvernichtungswaffen im Irak mit einer Gewissheit, als hätten
sie dort am Bau von Atombomben selbst mitgewirkt.
Jeder Mensch hat ein Anrecht
auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eige-ne Fakten
- und hier werden Fakten verfälscht, um einen Krieg zu beginnen.
Wie Hans von Sponeck (langjähriges
UN-Mitglied) in einem beeindruckenden Vortrag sagte, ist Hussein natürlich
ein Diktator, der sein Volk knechtet. Aber weshalb sollen wir nun dieses
geschundene Volk auch noch endgültig vernichten?
Jeder der den Irak besucht
hat, ist beeindruckt von der Freundschaft und Offenheit der Men-schen,
von ihrer Gastfreundschaft und ihrer Kultur.
Wie würden diese Menschen
uns lieben, wenn wir, anstatt sie mit Uran angereicherten Bom-ben zu
überschütten, mit Lebensmitteln und Medikamenten überschütten
würden? Wenn wir nach Lösungen suchen würden, wie langfristig
ihre Eigenkräfte unterstützt werden können?
Wenn wir sie respektieren
würden, statt sie zu demütigen?
(Günter Wimmer vom Münchner
Friedensbündnis mailte mir am 18.12. diesen Nachsatz: Zur Problematik
unserer Begriffe - mit uran-angereicherten Bomben verstärken und
vervielfälti-gen wir die ohnehin unbeschreibliche Armut! Diese
uranhaltigen, heimtückischen, weil nicht "nur" besonders
durchschlagkräftigen und explosiv-zerstörerischen, sondern
zusätzlich langwirkend krankmachenden Bomben, sind buchstäblich
schmutzige Abfallprodukte, die wir für die Anderen zynisch übrig
haben)
ultima irratio
Und nun wird wieder Hitler
mit Hitler besiegt, wie Gandhi sagt, wenn es heißt, die Pazifisten
seien der Grund für die Erstarkung der Nazimassenmörder gewesen.
Und verantwortungslos gegenüber
den Opfern des dritten Reiches, wird Auschwitz immer zum Vergleich herangezogen,
wenn man einen Grund für einen Kriegseintritt braucht.
Aber die Klügeren unter
den Bellizisten wissen, dass das Problem in den dreißiger Jahren
nicht der Pazifismus in Deutschland, sondern das Appeasement der Westmächte
war - also deren wohlwollende Stillhaltepolitik gegenüber Nazi-Deutschland,
wie Jürgen Elsässer richtig bemerkt.
Ich glaube, wir sollten aus
der Geschichte lernen, sie aber nicht wiederholen.
Was irgendwann einmal die ultima ratio war, ist heute schon die ultima
irratio.
Und vor allem darf man eines nie vergessen: Unsere Kriege der letzten
Jahre (Jugoslawien, Afghanistan) waren allesamt völkerrechtswidrige,
imperialistische Angriffskriege, und das wird auch bei dem Krieg gegen
den Irak nicht anders sein, wenn wir ihn nicht doch noch verhindern
können.
Die USA nutzen die UNO zu
ihrem Vorteil und hebeln sie aus für ihre eigenen wirtschaftlichen
und geostrategischen Interessen. Sie haben alle internationalen Vereinbarungen
und gül-tigen Standards gebrochen und jeder, der sich an ihren
Kriegen beteiligt, beteiligt sich an ei-nem Massenmord.
Krieg und Spaßkultur
Warum nur treibt es so wenige
auf die Straße, um wutentbrannt gegen diesen Wahnsinn zu demonstrieren?
Warum versteckt man sich
hinter Partys und schwachsinnigen Fernsehsendungen, hinter Al-bernheit
und eitlem Zynismus, jetzt, an diesem Wendepunkt der Geschichte?
Sind wir wahrhaftig, wie
Horkheimer und Adorno es prophezeiten, als Konsumenten zur I-deologie
der Vergnügungsindustrie geworden, deren Institutionen wir nicht
mehr entrinnen können?
Sind wir dabei, wieder in
ein dunkles, absolutistisches Zeitalter zu tauchen, ein theologisches,
nun in der Kirche des totalen Marktes?
Haben wir schon keine Distanz
mehr zur kommerziellen Kultur und ihrer Indoktrination, da wir kein
Leben und kein Bewusstsein haben, das von ihr distanziert wäre?
Ist man deshalb so hoch angesehen
wenn man sich für sich selbst, seinen Wohlstand, seine Karriere
und seinen Spaß engagiert, und wird man deshalb so verlacht, wenn
man sich für eine gerechtere Welt einsetzt?
War das der Hintergrund der
fatalen Verbalinjurie vom "Gutmenschen"? Ein Sieg auf der
ganzen Linie für die Erfolgsgetreuen, Karrieristen, Trendigen!
Ein Sieg für die Ellenbogentypen und Spaßideologen.
Poesie ist weiser als Politik
Permanenter Krieg und permanenter
Spaß - gehört das zusammen?
Ich plädiere für eine Kultur der Ernsthaftigkeit wider den
zwanghaften Spaß, sonst schaffen wir in uns nie mehr einen verkaufsfreien
Raum, ohne den Denken einfach nicht mehr möglich ist.
Ein Raum ohne Einflüsterung
durch Moden und Gags, Trends und PR, Gedudel und Small-talk, Steuererlässe
und Zuschauerquoten. Einen Raum der Stille, des Alleinseins, in dem
wir uns wieder selbst begegnen, mit all unseren Brüchen und unserer
Verletzbarkeit, unserer Sehnsucht nach Liebe und Frieden, unserem Zuhausesein
in dieser Welt, unserer Verbindung zu allem was lebt und zu der existenziellen
Freude, die hinter den Fassaden unseren wirkli-chen Seins immer verborgen
bleibt.
Wirkliche Freude und ehrliches
Lachen werden nur aus der Ernsthaftigkeit geboren und nie aus einem
oberflächlichen, ferngesteuertem Leben.
Lasst uns keine Menschen
und auch nicht mehr unsere Zeit totschlagen.
Lasst uns bekennen: für
das Leben und gegen den Krieg.
Immer schon war die Poesie weiser als die Politik.
Vielleicht bräuchten
wir Poeten als Vertreter unserer Belange im Parlament - einen wie
Matthias Claudius, der nach 250 Jahren wieder auferstehen und uns
sein "Kriegslied" in die Herzen singen möge:
's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel
wehre,
...Und rede du darein!
's ist leider Krieg - und ich begehre
...Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
...Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
...Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
...Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
...In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
...So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
...Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
...Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
...Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
...Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg - und ich begehre
...Nicht schuld daran zu sein!
|