Asylarbeit

 

Soll Familie Tran gehen?

Unsere Abschiebepraxis ist inhuman !!

Die Abschiebe-Praxis in Baden-Württemberg ist inhuman und widerspricht unserem Grundgesetz. Sie widerspricht aber insbesondere unserer christlichen Moral:

»Die wohlhabenderen Nationen sind verpflichtet, so weit es ihnen irgend möglich ist, Ausländer aufzunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden können. Die öffentlichen Autoritäten sollen für die Achtung des Naturrechts sorgen, das den Gast unter den Schutz derer stellt, die ihn aufnehmen.«
(Katechismus der Katholischen Kirche, Ziffer 2241, München 1993, 571f.)

   
 

Schwäbisches Tagblatt, 10. Dezember 2005, S. 27

Hoffen auf menschliche Lösung

Stadt Tübingen setzt sich für vietnamesische Familie Tran ein / Kirchenasyl derzeit kein Thema

Von Christiane Hoyer

TÜBINGEN. Mit Unverständnis und Betroffenheit reagieren Abgeordnete, Bürgermeister und Kirchen auf die Entscheidung der Härtefallkommission in Stuttgart. Die sieht keinen Grund, warum die vietnamesische Familie Tran aus Tübingen nach 13 Jahren in Deutschland weiterhin hier bleiben soll, und lehnte vor einer Woche ihren Antrag ab.

Dass die Kommission mit dem ehemaligen Reutlinger Landrat Edgar Wais an der Spitze ihre Entscheidung nicht begründet und "nicht transparent" macht, kritisieren die Tübinger Landtagsabgeordneten Boris Palmer (Grüne) und Rita Haller-Haid (SPD). Die Arbeit des Gremiums müsse "für die Menschen nachvollziehbar sein", sagt Palmer. Haller-Haid geht in ihrer Kritik noch ein Stück weiter: "Wenn nicht einmal so ein Fall, der die Unterstützung von 5000 Tübinger Unterschriften hinter sich weiß, vor der Kommission Bestand hat, welche Hoffnung sollen dann andere Familien noch haben?", fragt die Abgeordnete Rita Haller-Haid.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt Tübingens Erster Bürgermeister Gerd Weimer. Seine Hoffnung, dass die Innenministerkonferenz eine großzügige Altfall-Regelung für Flüchtlinge findet, die wie die Trans hier integriert sind, zerschlug sich gestern allerdings: Der Vorschlag des hessischen Innenministers Volker Bouffier (CDU), den geduldeten Flüchtlingen, die eine Arbeitsstelle haben, ein Bleiberecht einzuräumen, fand keine Mehrheit. Stattdessen sollen jetzt erst einmal in einer Arbeitsgruppe die Auswirkungen des neuen Zuwanderungsgesetzes ausgewertet werden.

Auf eine bundespolitische Entscheidung also kann die Familie Tran vorerst nicht hoffen. Dabei hat gerade der Vater, Van Vu Tran, jene für Flüchtlinge hohen Auflagen erfüllt, die wichtige Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis sind: Er hat jetzt seit einem Jahr eine feste Arbeitsstelle, seit Sommer ist er außerdem auf keinerlei staatliche finanzielle Unterstützung mehr angewiesen.

"Wir haben als Stadtverwaltung alles getan", sagt Gerd Weimer. Die Oberbürgermeisterin Birgitte Russ-Scherer habe in einem sechs Seiten langen Brief an die Härtefallkommission ausführlich zugunsten der Familie Tran Stellung genommen. Die Ablehnung könne man im Rathaus "überhaupt nicht verstehen". Weimer selbst möchte sich nun für eine "vernünftige und großzügige Lösung" beim Regierungspräsidium einsetzen. Die beiden zwölf und 13 Jahre alten Mädchen sollten möglichst ihr Schuljahr an der Albert-Schweitzer-Realschule beenden können.

Doch welchen rechtlichen Spielraum gibt es jetzt noch nach dem Ablehnungsbescheid der Kommission? Rechtsanwalt Reinhard Treimer hat gestern bei der Stadt Tübingen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Trans "aus humanitären Gründen" beantragt und gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einstweiligen Rechtsschutz für die Eltern mit den drei Kindern (der Sohn ist vier Jahre alt) eingereicht. Solange diese Entscheidung ausstehe, dürften Trans auch nicht abgeschoben werden, macht Treimer klar. Dass sie mit ihren "Integrationsleistungen", so Treimer, keine Chance vor der Härtefallkornmission hatten, kann auch Rottenburgs Oberbürgermeister Klaus Tappeser nicht verstehen.

Tappeser, der im Frühjahr 2006 für die CDU in den Landtag ziehen will, sagt: "Die Integration ist ein entscheidender Eckstein fürs Bleiberecht". So gesehen sei der Fall Tran geradezu prädestiniert für die Kommission.
Doch welche Möglichkeiten bleiben der Familie Tran jetzt noch? Die freiwillige Ausreise in einem "verträglichen Zeitraum", wie Weimer sagt, wäre die eine. Eine andere wird von kirchlichen Flüchtlings-Unterstützerkreisen in Tübingen derzeit zwar diskutiert, aber noch nicht in Betracht gezogen: Ein Kirchenasyl als letzte Möglichkeit. Auch der Fall der kurdischen Familie Güler schien aussichtslos zu sein, als sie im August 2000 ins Mesnerhaus der Martinskirche zog. Inzwischen hat die gesamte Familie einen dauerhaften Aufenthaltsstatus.

Doch die evangelische Dekanin Marie-Luise Kling-de Lazzer hält nichts davon, den einen mit dem anderen Fall zu vergleichen. Sie sieht "bis jetzt keine Anzeichen für ein neues Kirchenasyl" in Tübingen, will sich aber für "menschenwürdige Hilfestellungen" einsetzen. Ihr katholischer Kollege, Dekan Thomas Steiger, hält das Kirchenasyl dann für ein "scharfes Instrument gegenüber staatlichen Bestimmungen", wenn für die Familie in ihrer Heimat "Gefahr für Leib und Leben" bestehe.

Unterstützer der Familie Tran berichten: "Die Mädchen weinen und stehen unter Schock." Vietnam sei für sie ein fremdes Land, da sie in Deutschland aufgewachsen sind, eine "Rückreise" ende in einer "absehbaren menschlichen Katastrophe".


Dass die Härtefallkommission den Fall Tran als Härtefall
abgelehnt hat, ist ein Fall für die Härtefallkommission.

Rottenburgs Oberbürgermeister Klaus Tappeser über die
Entscheidung gegen die vietnamesische Familie Tran aus Tübingen


S. 32

WORT ZUM SONNTAG

Gegenlichter

Er hatte schon gute Ideen: 1833 gründete Johann Hinrich Wichern in Hamburg das "Rauhe Haus" für obdachlose Kinder und Jugendliche, und sechs Jahre später ließ er im dortigen Betsaal einen runden hölzernen Leuchter aufhängen: den ersten Adventskranz der Welt.

Mit vier dicken weißen Kerzen (und dazwischen 19 kleinen roten für die Werktage) sollte er den Kindern nicht nur das Warten aufs Fest erleichtern, sondern sie zugleich spüren lassen, was es auf sich hat mit dem Fest. Zur echten Erfahrung sollte ihnen werden, wie es im Advent von Tag zu Tag, von Woche zu Woche heller und wärmer wird, obwohl die Tage draußen immer noch kürzer, dunkler und kälter werden. Adventskerzen sind nicht einfach nur Lichter, sondern ganz bewusste Gegenlichter, die der sich ausbreitenden Finsternis und Kälte das Feld streitig machen. Schaut, sagen sie, täglich wird es heller auf dem Weg zum großen Licht der Christnacht, das erst recht jeder Finsternis das Feld streitig macht.

Es sind nicht wenige Menschen, die diese dem Advent von je her eigene Widerständigkeit heutzutage wieder erfassen und zur Geltung bringen, indem sie die Adventszeit bewusst als "andere Zeit" zu gestalten versuchen.

Zum Beispiel, indem sie sich im allgemeinen Vorweihnachtstrubel fest vornehmen, hin und wieder innezuhalten, um sich zu besinnen, auf andere Gedanken zu kommen. Das Gegenlicht wahrzunehmen, das im Advent aufleuchtet und von Woche zu Woche etwas heller scheint, so dass immer deutlicher wird: Die Wirklichkeit, so finster sie daherkommt, ist nicht alles. Es ist Hoffnung. Begründete Hoffnung sogar, weil Gott in die Welt gekommen ist in Jesus mit anderen Gedanken: Liebe, Versöhnung, Vergebung; dass Hungernde satt werden, Kranke geheilt, Trauernde getröstet...

Die alte christliche Platte, sagen Sie? Das stimmt, es ist schon eine Weile her, dass Gott damit in die Welt gekommen ist, neu ist das alles nicht. Neu ist nur immer wieder, dass sie ernst gemeint sind, diese Gedanken.

Als wirkliche Chance für die Wirklichkeit, als echte Gegenlichter zur Orientierung, zum Darauf-Zugehen und Sich-dran-Halten. Nicht nur im Advent, aber jeder Advent ruft's uns neu ins Gedächtnis - ("Wachet auf, ruft uns die Stimme...") Nicht von ungefähr beginnt deshalb in jedem Advent eine neue Aktion von "Brot für die Welt" und "Adveniat" (damit Hungernde satt werden...).

Und nicht von ungefähr treten uns die Missstände und Schmerzpunkte unserer Zeit und Gesellschaft im Advent besonders krass vor die Augen. Not schreit ja nicht nur zum Himmel, sondern signalisiert auch uns: Hier ist Handlungsbedarf, persönlicher und politischer. Etwa wenn im "Fall Tran" drei Tübinger Kinder, die hier in Deutschland aufgewachsen und beheimatet sind, notfalls gewaltsam in ein ihnen völlig fremdes Land verbracht werden sollen, dessen Sprache und Kultur sie nicht kennen - und unsere "Härtefallkommission" meint, das sei kein Härtefall.

Da sind wir schon gefragt, ob unsere Adventskerzen im christlichen Ländle nur Kerzen sind oder Gegenlichter der Hoffnung.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Dritten Advent auf dem Weg zum großen Licht.

Karl Theodor Kleinknecht,
Pfarrer an der Stiftskirche Tübingen

 


Fortsetzung 4
13. Dezember 2005

 

 

 

 

 

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