Familie 
        Dumancic lebt gut integriert in Tübingen und hat viele Freunde. Viele 
        Briefe mit Hunderten von Unterschriften wurden schon von ihnen an die 
        Behörden verschickt mit der Bitte, dieser Familie ein Bleiberecht 
        zu gewähren. Weder Schulleiter, Lehrer, Schüler, Eltern noch 
        evangelische und katholische Kirchengemeinden hatten bisher Erfolg mit 
        ihren Briefen an das Innenministerium. Ende Januar 2004 läuft die 
        Duldung aus und die Abschiebung droht.  
         
      An Herrn 
        Dr. Thomas Schäuble 
        Innenminister des Landes Baden-Württemberg 
        Dorotheenstr. 6 
        70173 Stuttgart 
      
      
       
        Tübingen, im September/Oktober 2003 
      Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble, 
      Wir wenden uns Hilfe suchend 
        an Sie, den Innenminister unseres Bundeslandes, zu dessen Verantwortungsbereich 
        auch ausländerrechtliche Entscheidungen und Maßnahmen gehören. 
      Wir sind tief beunruhigt und 
        machen uns große Sorgen um eine Familie bosnischer Herkunft, die 
        schon lange unter uns lebt und der wir uns verbunden fühlen. Es handelt 
        sich um die Familie Franjo und Ankica Dumancic mit ihren beiden Kindern 
        Antonio und Juliana. Sie sind 1992 auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg 
        in ihrer alten Heimat nach Tübingen zu ihren Verwandten gekommen. 
        (Die Eltern sowie zwei Brüder und zwei Schwestern von Herrn Dumancic 
        mit ihren Familien leben in Tübingen.) Antonio war damals ca. 1 ½ 
        Jahre alt, Juliana ist 1995 in Tübingen geboren. 
      Wir, die Unterzeichnerinnen 
        und Unterzeichner dieses Briefes, sind Lehrer und Eltern von Klassenkameraden 
        und Freunden dieser sehr erfreulichen Kinder, welche wir nicht nur als 
        absolut integriert, sondern auch als wertvoll für unsere eigenen 
        Kinder beziehungsweise die Klassengemeinschaft erleben.  
      Der 13jährige Antonio 
        besucht die 7. Klasse am Wildermuth-Gymnasium Tübingen. Er ist ein 
        guter, hilfsbereiter, engagierter und beliebter Schüler, der kürzlich 
        zum wiederholten Male zum Klassensprecher gewählt wurde. Darüberhinaus 
        ist er ein leidenschaftlicher Basketball-Spieler - laut seinem Trainer 
        in der U 14-Mannschaft des SV 03 Tübingen "ein herausragen-des 
        Basketballtalent". Seine achtjährige Schwester Juliana geht 
        in die 3. Klasse der Aisch-bachschule. Auch sie ist eine gute Schülerin 
        und fällt vielfach positiv auf. Ihre Mutter, Frau Ankica Dumancic, 
        ist seit zwei Jahren, also seit der 1. Klasse, stellvertretende Elternvertre-terin 
        der Klasse. In dieser ehrenamtlichen Funktion hat Frau Dumancic unter 
        anderem engagiert beim Aufbau der Hausaufgabenbetreuung an der Grundschule 
        im Aischbach mitgehol-fen, hat ausländische Kinder beim Lernen unterstützt 
        und kompetent begleitet. (Nebenbei gesagt ist ihr erlernter Beruf Grundschullehrerin.) 
      Antonio und Juliana sowie ihre 
        Eltern gehören selbstverständlich zu uns. Sie sind hervor-ragend 
        integriert und überall bestens akzeptiert und beliebt. Die Dumancics 
        liegen niemandem auf der Tasche, bezahlen Steuern und Sozialversicherung 
        und bringen sich auf verschiedenen Feldern in vorbildlicher Weise in unser 
        Gemeinwesen ein. Und das, obwohl sie seit 5 Jahren mit der Angst vor Abschiebung 
        leben müssen. Warum schafft unser Land keine Bleiberechtsregelung 
        für derartige Fälle? 
        Dass sie nicht mehr nach Bosnien zurückwollen, nachdem ein entsetzlicher 
        Bürgerkrieg sie zur Flucht und zu einem Neuanfang in Tübingen 
        gezwungen hat, ist doch allzu verständlich! Hier haben sie Ruhe und 
        Unterstützung gefunden und neue Hoffnung auf eine positive Zukunft. 
        Die Eltern haben Arbeit; der Vater bei einer Tübinger Baufirma, die 
        Mutter in einer Zahnarztpraxis. Die Kinder fühlen sich wohl und sind 
        zusammen mit unseren Kindern aufgewachsen - und auch verwachsen. Sie möchten 
        unbedingt weiter zusammen groß werden. Diese Stadt, dieses Land 
        ist diesen beiden Kindern genauso Heimat wie den unsrigen. 
      Aus den genannten Gründen 
        wollen wir, dass die Familie Dumancic hierbleibt! 
      Auch der Bürgermeister 
        der Stadt Tübingen, Herr Gerd Weimer, ist mit uns der "Auffassung, 
        dass es eigentlich unmenschlich ist, eine so gut integrierte Familie aus 
        formalen Gründen in ihre Heimat zurückzuschicken." In diversen 
        Antwortschreiben an einige von uns heißt es weiter: "Ich habe 
        mich deshalb in den letzten Jahren (!) mehrfach persönlich um eine 
        andere Entscheidung bemüht. Meine ganze Hoffnung ruhte auf der Petition 
        an den Landtag, die meine Nachfolgerin als Mitglied des Landtags, Frau 
        Rita Haller-Haid, im Landtag nachdrücklich unterstützte. Leider 
        hat aber die Mehrheit im Petitionsausschuss kein Einsehen gehabt und gegen 
        die Familie entschieden." 
      Der formale Grund der Ablehnung 
        ist unseres Wissens eine zeitweise unverschuldete Arbeits-losigkeit von 
        Herrn Dumancic von Ende September 1998 bis Anfang September 2000, in der 
        er mangels Arbeitserlaubnis beziehungsweise zu kurzen oder überhaupt 
        keinen Duldungen' keine neue Arbeit aufnehmen konnte. 
      Wir Bürgerinnen und Bürger 
        finden diese Rechtspraxis sehr, sehr fragwürdig. Auf jeden Fall finden 
        wir es nicht richtig, dass Kinder, die hier aufgewachsen und voll integriert 
        sind, schwäbisch und perfekt hochdeutsch sprechen, in unserem Land 
        keine Heimat haben dürfen. Durch eine Abschiebung oder erzwungene 
        Ausreise würden sie mit großer Wahrscheinlich-keit in ihrer 
        Entwicklung brutal gestört werden. Und wir alle - unsere eigenen 
        Kinder beziehungsweise Schülerinnen und Schüler eingeschlossen 
        -, die wir die Familie Dumancic sehr schätzen, wären schwer 
        irritiert. Deshalb appellieren wir an Sie sowie die Landesregierung: 
      Schaffen Sie eine Bleiberechtsregelung 
        für derartige Härtefälle!  
        Geben Sie der Familie Dumancic ein Bleiberecht! 
        Familie Dumancic soll bleiben! 
       
      Leserbriefe 
        im Schwäbischen Tagblatt 
      
       
      Den 
        nachstehenden Text verfasste Frau Dumancic schon vor 2 Jahren. Er hat 
        nichts an Aktualität eingebüßt.  
      Bitte, 
        ein Punkt 
        
        
      Wir sind eine bosnische Flüchtlingsfamilie: 
        Franjo (43 Jahre), Ankica (32 Jahre), Antonio (11 Jahre) und Juliana (6 
        Jahre). Seitdem wir in Deutschland sind, hat es in unserem Leben immer 
        nur Kommas, also "Duldungen", gegeben. Wann kommt endlich einmal 
        der Punkt, die Entscheidung, dass wir bleiben können?   
      Im April 1992 mussten wir unsere 
        Heimat Bosnien verlassen, weil die Spannungen zwischen den Volksgruppen 
        zum Krieg geführt haben. Da wir viele Verwandte in Tübingen 
        haben, sind wir nach Tübingen geflohen, wo wir bei unseren Verwandten 
        Zuflucht fanden. Unser Sohn Antonio war damals 11/2 Jahre alt. Unsere 
        Tochter Juliana wurde 1995 in Tübingen geboren. Unsere beiden Kinder 
        sind also hier aufgewachsen, Tübingen ist für sie in all den 
        Jahren ihre Heimat geworden. Bosnien dagegen ist für sie ein fremdes, 
        unbekanntes Land. 
         
      Antonio besucht seit diesem 
        Schuljahr das Wildermuth-Gymnasium. Er ist der Klassensprecher. Davor 
        war er in der Pavillon-Grundschule und im Stiefelhof-Kindergarten. Er 
        hatte nirgendwo Schwierigkeiten, im Gegenteil. In seiner Freizeit spielt 
        er Basketball mit seinen Freunden und beim SV 03 in der D-Jugend. Schon 
        seit Jahren schaut er sich regelmässig samstags in der Uhland-Halle 
        die Basketball-Turniere an, zusammen mit seinem Vater. Basketball ist 
        Antonios grosse Leidenschaft, aber er geht auch gerne in die Schule. Unsere 
        Juliana ist seit Anfang September Erstklässlerin in der Aischbachschule. 
        Sie hat sich schon lange auf die Schule gefreut und lernt sehr eifrig. 
        Davor hat sie den Kindergarten Westbahnhof besucht. In Tübingen leben 
        außerdem ihre Großeltern und die meisten ihrer Tanten, Onkel, 
        Cousinen und Cousins. 
         
      Unsere Kinder sind Tübinger 
        wie andere Kinder in Tübingen auch, perfekt deutschsprechend und 
        hier beheimatet. Sie und wir, ihre Eltern, wir können uns nicht vorstellen, 
        das alles wieder aufzugeben und nochmals völlig bei Null anzufangen. 
        Doch seit 3 1/2 Jahren gibt es einen grossen schwarzen Schatten über 
        ihrer Kindheit und unserem Leben: die Abschiebung. Seit 3 1/2 Jahren kämpfen 
        wir mit diesem Problem. 1992 haben wir unsere Heimat, unseren Besitz, 
        unsere Arbeit, unsere Freunde, unsere Identität ... verloren - wegen 
        dem Krieg. Seit 1998 haben wir im Prinzip wieder das gleiche Problem, 
        nämlich dass wir wieder alles verlieren sollen und von hier verschwinden 
        sollen - gegen unseren Willen. Seither haben wir Schreckliches durchgemacht. 
         
      Zuerst wurde Druck mit Briefen 
        gemacht, dann konnten wir keine "Duldung" mehr bekommen. Ohne 
        "Duldung" bekommt man auch keine Arbeitserlaubnis mehr vom Arbeitsamt. 
        Also hat mein Mann seine Arbeit bei einer Reinigungsfirma verloren. Dann 
        sollten wir beim Ausländeramt unterschreiben, dass wir "freiwillig" 
        Deutschland verlassen wollen. Aber unser Wunsch war zu bleiben; eine Rückkehr 
        nach Derventa, wo wir herkommen, war damals absolut unmöglich. Also 
        haben wir nicht unterschrieben. Deswegen haben sie auf dem Ausländeramt 
        dann unsere Pässe behalten. Wir hatten immer so eine entsetzliche 
        Angst, nachts abgeholt und nach nirgendwo, ins Nichts abgeschoben zu werden. 
        Auf dem Ausländeramt wurde uns mehrmals damit gedroht. Es war ein 
        permanenter Alptraum. Wir waren Opfer eines psychologischen Krieges. 
         
      Um uns zu verteidigen, haben 
        wir Hilfe bei Rechtsanwälten gesucht. Herr Bona, ein Rechtsanwalt 
        in Reutlingen, hat uns viel geholfen, diesen grausamen Druck auszuhalten. 
        Er ist für uns bis zum Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegangen. 
        Aber alles ohne Erfolg. Im Jahre 2000 haben wir glücklicherweise 
        durch Leidensgenossen Frau Odinius kennengelernt. Sie hat uns seither 
        viel Beistand und Hoffnung gegeben. Sie ist für uns alle eine sehr 
        grosse psychologische und diplomatische Hilfe. Diese Unterstützung 
        ist wirklich unbezahlbar! 
         
      Gottseidank hat mein Mann Franjo 
        im September voriges Jahr wieder eine Arbeit gefunden bei der Baufirma 
        Fritz Müller in Lustnau. Und gottseidank hat das Arbeitsamt ihm die 
        nötige Arbeitserlaubnis gegeben, was auch nicht so einfach ist. Zusammen 
        mit der Firma Müller und unserem Rechtsanwalt hat Frau Odinius unsere 
        Situation schon deutlich entspannt. Seitdem sind die Leute auf dem Ausländeramt 
        auf einmal auch viel freundlicher zu uns. Doch bekommen wir leider nach 
        wie vor nur eine "Duldung" für ein oder zwei Monate und 
        keinen richtigen Aufenthalt. Eine "Duldung" kostet jedesmal 
        75 Mark. (Für Rechtsanwälte und Gerichte haben wir übrigens 
        bisher schon mehr als 11.000 Mark bezahlen müssen.) 
         
      Wenn Deutschland jetzt eine 
        Einwanderungsland sein will, warum dürfen wir dann nicht hierbleiben? 
        Wann kommt endlich der erlösende Punkt? 
         
      2.10.2001 
        Ankica Dumancic 
       
        
        
        
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