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Schwäbisches Tagblatt, 27.10.2003

Leserbriefe

»Ein Leben in Frieden«

Stellen Sie sich die Gesichter hinter der Geschichte vor:
Stellen Sie sich vor, Sie hätten 1936 dieses Land aus politischen oder ethnischen Gründen verlassen (müssen). Sie hätten in einem anderen Land Aufnahme gefunden unter der Bedingung, dieses Land nach Ende ihrer Verfolgung sofort wieder zu verlassen. Sie hätten von weitem das entsetzliche Geschehen in ihrem ehemaligen Heimatland mitverfolgen müssen, hätten vielleicht Freunde und Verwandte verloren durch die Gewalt, der Sie nur knapp entronnen sind. 1946 hätte das Land, welches Sie aufgenommen hat, in dem Sie gearbeitet haben, Steuern bezahlt haben, in dem Ihr erstes Kind aufgewachsen und Ihr zweites geboren wurde, Sie aufgefordert, in das alte Land zuriickzukehren... Wer hätte dies von Ihnen verlangen wollen.

Mein Land. dein Land, ... eine zweite Chance für ein Leben in Frieden ist es, was diese Menschen sich wünschen. Nicht mehr nur geduldet sein, nicht mehr abhängig sein vom Wohlwollen anderer, sondern sich einbringen und mitarbeiten in diesem Land, das zu ihrem geworden ist. Das Recht, bleiben zu dürfen und nicht eine Duldung von Tag zu Tag.

Seit zehn Jahren lebt und arbeitet die Familie Dumancic in Tübingen. Sie sind vollständig integriert, arbeiten, bezahlen Steuern und Sozialversicherung, haben zwei Kinder, die durch besondere Leistungen in Schule und Freizeit auffallen. Meine Tochter ist mit ihrem Sohn Toni befreundet. Wie soll ich ihr erklären, dass Toni gehen soll? Toni ist ein feiner Kerl ... heißen wir ihn und seine Familie doch endlich willkommen!

Barbara Binder, Kusterdingen, Burgstraße 9


Schwäbisches Tagblatt, 28.10.2003

"Jeder einzelne Fall ist ein Drama": In dem TAGBLATT-Artikel zum "Tag des Flüchtlings" würde auch über das Schicksal der Familie Dumancic berichtet (20. Oktober).

»Bleiberecht gewähren«

Ich möchte noch ein wenig von Frau Dumancic erzählen, die vor zehn Jahren vor dem Bürgerkrieg in ihrer bosnischen Heimat nach Tübingen geflohen ist, und nun, von der Abschiebung bedroht, um ein Bleiberecht kämpft. Ich habt: Frau Ankica Dumancic und ihre Familie im Rahmen der Gründung der Hausaufgabenbetreuung an der Grundschule im Aischbach kennen gelernt. Juliana Dumancic ist Schülerin dieser Schale, die im Gemeindegebiet der evangelischen Stephanuskirchengemeinde liegt. Ihre Mutter, Ankica Dumancic, ist Elternvertreterin für ihre Klasse. Die Hausaufgabenbetreuung ist im Rahmen eines Kooperations-Projekts zwischen der Stephanusgemeinde und der Aischbachschule entstanden. Frau Dumancic ist an diesem Projekt ehrenamtlich beteiligt. Sie hat ihre (in Bosnien erworbene und in Deutschland nicht anerkannte) Qualifikation als Grundschullehrerin und ihre Erfahrungen, Deutsch als Fremdsprache zu erlernen, in die Planung miteingebracht und arbeitet vor allem in der Betreuung der ausländischen Kinder mit.

Ich bewundere Frau Dumancic. Mit hohem Einsatz, Einfühlungsvermögen und Kreativität engagiert sie sich ehrenamtlich an der Schule, und das, obwohl ihre private Situation und die Zukunft ihrer Familie derart ungewiss und existenziell bedrohlich ist. Sie setzt sich für eine Gesellschaft, einen Staat ein, der ihr kein Bleiberecht gewähren will, der ihr vermittelt: Wir haben keinen Platz für dich, Frauen wie dich wollen wir nicht haben. Ich bewundere diese Frau und wünsche mir für unsere Gesellschaft mehr dieser Frauen. Und ich kann und will nicht verstehen. warum die verantwortlichen Politiker keine Wege finden wollen, Frau Dumancic und ihrer Familie ein Bleiberecht zu gewähren.

Henrike. Kübler, Diakonin an der evangelischen Stephanusgemeinde Tübingen, FriedrichDannenmann-Straße 56


Lesen Sie dazu die Meldung in der Südwestpresse/Schwäbisches Tagblatt vom 28. 1. 2004

Mehr zu der von der Abschiebung bedrohten Familie Dumancic
in Tübingen

 

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