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Schwäbisches
Tagblatt vom 21. Januar 2003
Übrigens
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Tübinger
Pazifismus
Der neue Pazifismus
kommt nicht nur ohne Demonstration aus, sondern weitgehend ohne Argumente
behauptete jüngst einer jener klugen süddeutschen Feuilletonisten,
die es normalerweise besser wissen; er hätte nur nach Tübingen
schauen müssen! Spätestens seit der großen Antikriegs-Demo
vom vergangenen Wochenende mit 3000 Demonstranten war Tübingen,
neben Rostock, in allen internationalen Blättern bis hin zu "Le
Monde" erwähnt, scheint hier nun wirklich so etwas wie ein
lokales Pflänzchen einer "Kultur des Friedensganz neu aufzublühen.
Wer entsinnt
sich nicht der alljährlichen Engstinger Ostermärsche auf die
nahe gelegene Alb? Zu den US-Lance-Mittelstreckenraketen, die dort bis
Ende der achtziger Jahre stationiert waren; mit fahrbaren Abschuss-Lafetten;
und was das Brisanteste daran war: mit einem Dutzend atomarer Sprengköpfe,
eingebunkert.
Lange ist's her. Aber schon lange sah man auch keinen so mächtigen
Demonstrationszug mehr wie jetzt in. Tübingen; noch selten so eine
friedliche, bunte, vielfältige, von Walter Jens bis zum Kleinkind
von Frido H. besuchte Demo mitten durch die Unistadt. Liberaler Mainstream?,
wie der süddeutsche Feuilletonist unkt. Es mutet eher unverkrampft,
erfrischend unvoreingenommen an, was da nun eine Generation später
gar nicht so pur und stur pazifistisch daher kommt.
Selbst in der
Wahl der Mittel - vom polyrhythmischen Trommelschlag bis zum friedlichen
juristischen Versuchsballon des Mössinger Psychoanalytikers Erich
Schneider mit einer Strafanzeige wg. Vorbereitung eines Angriffskriegs
von der europäischen Zentrale der US-Streitkräfte in Stuttgart
aus - sah man noch selten einen so heiteren, fantasie- und espritvollen
Protest. Zur Einstimmung gab es sogar einen Beitrag der amerikanischen
Friedensbewegung direkt auf der Straße vor dem Deutschamerikanischen
Institut, dort ein ganz anderes Amerika repräsentierend, als es
einen derzeit täglich aus den Schlagzeilen knüppelhart anspringt.
Und wo zu studentenbewegten
Zeiten Demonstranten von Göppinger Bereitschaftspolizisten auch
schon mal wegen geringerer Anlässe von der Straße weggeknüppelt
worden waren, machte sich ein vielstimmiger, vielsprachiger Konsens
breit: Resist the war. Es geht eben nicht nur "ums Öl'; es
wird, bis in die hinterste Belsener Gaststube; sehr wohl differenziert,
erstaunlich politisch, weniger parteipolitisch, eher besorgt und fragend
als polemisch über die merkwürdig eskalierende Kriegsgefahr,
die völlig unverständliche Zuspitzung einer Krise durch die
amerikanische Regierung diskutiert.
Die politische
Diskussion über den Krieg müsste erst noch beginnen? Sie hat
sich, zumindest in Tübingen, längst zu einer kulturpolitische
Debatte ausgeweitet, einer Auseinandersetzung mit den "Stupid white
men", dem Waffenwahn in den USA wie ihn Michael Moore in seinen
Buch- und Filmbestsellern erschreckend vor Augen führt: "Bowling
for Bagdad" schrieb ein Jugendlicher am Samstag auf eines seiner
Plakätchen, die er im laufenden Demonstrationszug malte.
Ernst Bauer
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Sie dazu den Artikel in der Süddeutschen Zeitung !
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