Weihnachten 2002
 

Adeste fideles?
Wo bleiben wir Christen?
Lasst uns den wenigen mutigen nach "Bethlehem" folgen!

Pressestimmen zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung


Schwäbisches Tagblatt vom

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Am 23. 12. 2002 waren folgende Texte im Schwäbischen Tagblatt
zu lesen:

Zur Abschiebung der Jasharis

KUSTERDINGEN. Wie wir bereits berichteten, wurde am vergangenen Dienstag um 2 Uhr morgens die in Kusterdingen wohnende Familie Jashari in den Kosovo abgeschoben (siehe auch das ÜBRIGENS und die Leserbriefseite). Die fünfköpfige Familie hat nun in Pristina notdürftig Unterschlupf in einem kleinen Zimmer gefunden, das, wie sie telefonisch berichtete, nur zwei Stunden täglich beheizbar ist. In Kusterdingen regt sich derweil der Protest über die nächtliche Aktion gegen die Familie. Freunde und Bekannte der Jasharis treffen sich am heutigen Montag, 23. Dezember, um 20 Uhr im Kusterdinger "Bauerncafé" Im Höfle, um über praktische Hilfsmaßnahmen und weitere Aktionen für die Jasharis zu beraten.

Übrigens ...

Guter Rat für Abschieber

Es ist nicht ganz leicht in diesen stressigen Vorweihnachtszeiten, alle Aufgaben und Ansprüche, die sich einem stellen, zu erfüllen. Geschenke für die Kinder, Geschenke für Freunde und Verwandte, daheim aufräumen, backen, beseelt sein, die Wohnung auf gemütlich schmücken und dann auch noch einen Job erledigen.

Es gibt viele verschiedene Jobs auf der Welt, die einen packen den ganzen Tag am Ladentisch Geschenke ein, die anderen stempeln Formulare. Hinter diesen Formularen stecken Einzelschicksale, aber das macht man sich mit dem Stempel in der Hand besser nicht klar (siehe auch die Leserbriefe ...). Jedenfalls nicht, wenn es sich um Abschiebe-Anordnungen handelt.

Man denke einmal, ein Sachbearbeiter würde folgendes Exemplar abstempeln: "Hiermit ordne ich an, dass die fünfköpfige Familie Jashari aus Kusterdingen mit ihrem zweieinhalbmonatigen Baby und ihren fünf- und achtjährigen Töchtern in den Kosovo abgeschoben wird. Ich möchte, dass diese Familie drei Monate vor Ablauf ihrer Duldung in den Kosovo zurückkehrt, obwohl sie dort keine Wohnung hat, die Eltern ohne Arbeit sind, und die Verhältnisse im Land höchst unsicher. Ich weiß zwar, dass die Eltern in Kusterdingen Arbeit und Wohnung haben, dass sie im Ort gut integriert, ihre beiden Töchter hier geboren sind und viele Freunde haben und den Kindergarten und die Schule besuchen. Aber ich finde, das ist kein Grund, sie nicht abzuschieben. Ich möchte, dass die Familie Jashari in der Nacht aus ihrer Wohnung abgeholt, etwas Zeit bekommt, um das nötigste Handgepäck zusammenzupacken, und dann in den Kosovo ausgeflogen. wird." Gezeichnet: Sowieso.

Vielleicht Herr oder Frau Sowieso, aber niemand sonst würde ein solches Formular unterschreiben. Denn eigentlich kann ja niemand so unmenschlich sein oder handeln. Um eine Abschiebung so durchzuexerzieren, wie es in den frühen Morgenstunden des Dienstag geschah, muss man vom Einzelschicksal abstrahieren. Man darf gerade mal die Fall-Nummer oder das Akten-Kennzeichen des Asylgesuchs kennen, mehr tut dem Abschieber nicht gut. Am besten für das Seelenheil des Abschiebers ist sicherlich, die Leute, die seine Anordnung trifft, nicht zu kennen. Jede Möglichkeit, die eigene soziale Phantasie in Gang zusetzen, muss ausgeschaltet sein. Ein Sachbearbeiter sollte seine Sache mit professioneller Distanz tun und vor allem an sein Abschiebe-Plansoll denken.

Denn was nützt dem Land Baden-Württemberg ein Sachbearbeiter für Asylangelegenheiten, der darüber nachdenkt, welche unglaubliche Härte sein Job in ein Familienschicksal bringt? Er müsste sich ja ein Gewissen machen, und das verträgt sich schlecht mit der hiesigen Abschiebepolitik. Der Abschieber hat sicher alles richtig gemacht; nur eines hat er nicht bedacht: den Zorn, den diese Maßnahme nach sich zieht.

Ulla Steuernagel

Leserbiefe

zur nächtlichen Abschiebung der bis dahin in Kusterdingen lebenden Familie Jashari in den Kosovo

»Soviel Unmenschlichkeit«

Es begab sich aber ... im Advent des Jahres 2002 in einem Land, dass eine Familie mit Grundschulkind, Vorschulkind und zweieinhalb Monate altem Säugling mitten in der Nacht von der Polizei aus den Betten gerissen und "abgeführt" wurde, abgeschoben in den Kosovo, in die Kälte, ins Ungewisse. Was haben, was durften, was konnten sie in der Aufregung und Angst bei drei weinenden Kindern mitnehmen?
Nach zehn Jahren Aufenthalt hier und vollständiger Integration wurden sie nicht einmal mehr bis zum Frühjahr geduldet, um dann unter besseren Bedingungen, geordnet und vorbereitet das Land zu verlassen, das ihnen längst Heimat geworden war.
Deutschland - Weihnachten 2002! Ich kann es einfach nicht fassen, ich bin entsetzt über so viel Unmenschlichkeit.

Monika Elsässer, Kusterdingen, Albert-Schweitzer-Straße 11


»Kein Kraut gewachsen«

Am 21. Dezember 1996 hatte ich - als empörte Reaktion auf einen Bericht im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT über eine kurz vor Weihnachten vollzogene Abschiebung von asylsuchenden Flüchtlingen - an Innenminister Dr. Schäuble geschrieben: "Manchmal schäme ich mich dafür, wie gnaden- und erbarmungslos mit Menschen umgegangen wird". Im Dezember 1997 dann dasselbe nach dem Motto: "Alle Jahre wieder. Meinem damaligen, ebenfalls Protest zum Ausdruck ringenden Leserbrief vom 11. Dezember 1997 habe ich heute, im Jahr 2002, angesichts einer erneuten weihnachtlichen Nacht- und Nebel-Aktion unseres Regierungspräsidiums eigentlich nichts hinzuzufügen, außer dass es sich diesmal um eine "rechtschaffende" Kusterdinger Familie handelt. Alles wie gehabt. Allerdings kämpfe ich diesmal gegen hilflose Resignation und ohnmächtigen Zorn. Ist denn gegen machtlüsternen Sadismus kein Kraut gewachsen? Und dann betont man auch noch gegen die europawilligen "türkischen Islamisten" die Christlichkeit unseres Abendlandes. "Was ihr auch nur einem von meinen geringsten meiner Brüdern getan habt, habt ihr mir getan", sagte der in der Fremde unter Fremden, die ihn nicht wollten, geborene Jesus.
Fröhliche Weihnachten!

Astrid Grell-Bartholomäus, Kusterdingen, Hohenlehenstraße 23


»Eine Zukunft bieten«

Noch stehen Schuhe vor der Wohnungstür der Familie Jashari. Als die Eltern mit ihren drei Kindern nachts um zwei abgeholt wurden, durften sie nur noch schnell Handgepäck zusammenraffen.

Dabei könnten die Jasharis jetzt jedes Kleidungsstück brauchen. Besonders das Baby. Zweieinhalb Monate ist es alt. Im Kosovo, wohin die Familie völlig überraschend abgeschoben wurden, ist es kalt. In dem Zimmer, in welchem die fünf hausen, gibt es nur für zwei bis drei Stunden am Tag Strom.

Wir fragen uns: Warum diese Nacht-und-Nebel-Aktion? Die Jasharis wussten, dass sie nicht mehr lange in Deutschland würden bleiben können. Deshalb arbeiteten die Eltern an der Rückkehr: Sie verdienten hier Geld, sparten jeden Cent, um sich im Kosovo eine Existenz aufbauen zu können. Sie schmiedeten Pläne, zogen Erkundigungen und pflegten Kontakte in ihre Heimat. Sie wollten vorbereitet sein. Sie wollten ihren Kindern eine Zukunft bieten.

Aus einem Arbeitsverhältnis hier steht den Eltern noch Lohn zu. Anscheinend beansprucht das Regierungspräsidium nun das Geld. Um die Kosten der Abschiebung zu decken, wie es heißt.

Wir fragen uns: Wer trifft solche Entscheidungen? Warum diese so unsinnige wie menschenverachtende Aktion?

Christiane Bonnet-Baumgärtner und Thomas Baumgärtner, Kusterdingen, Baumschulweg 6


»Kein Raum mehr«

Da standen sie, Mitschüler, Kindergarten-Kinder, Arbeitskollegen, Freunde - da standen sie am 19. Dezember auf dem Schulhof der August-Lämmle-Schule in Kusterdingen: traurig, verstört, fassungslos. In der Nacht zum 17. Dezember war die Familie Jashari, die seit zehn Jahren in Kusterdingen lebte, mit ihren drei Kindern - zweieinhalb Monate (!), fünf und acht Jahre alt - von der Polizei aus ihrer Wohnung geholt und nach Pristina im Kosovo abgeschoben worden. Zwei Tage zuvor hatte die Familie den Bescheid erhalten, ihre Duldung sei bis zum 31. März 2003 verlängert.

Nach einer Pressemeldung stellte die Sprecherin des Regierungspräsidiums fest, dass solche Zusagen ohne Bedeutung sind. Sie erklärte: Abschiebungen trotz zuvor erteilter Duldung seien durchaus üblich. Nun hat ein solches Außerkraftsetzen einer gegebenen Zusage nicht nur eine rechtliche, es hat auch eine moralische Dimension. Da sind die J-ein-Sager, Menschen, die im selben Atemzug zu derselben Sache oder denselben Menschen Ja und Nein sagen. Wer das tut, verstört andere und macht sich selbst unglaubwürdig. Das gilt auch für politische Entscheidungen.

Nun gibt es Fragen im Ort: Auf welche amtlich gegebenen Zusagen kann man sich verlassen? Sind Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit "von Amts wegen" da und dort außer Kraft gesetzt? Und wenn ja, wo? - Spüren die Verantwortlichen nicht, dass auch solche Vertrauenskrisen Rückwirkungen haben?

Ich möchte keine ungehörigen Vergleiche anstellen, aber ich gehöre zu den "Zeitzeugen", die in ihrer Zeit erfahren haben, wie Menschen aus ihrer Wohnung geholt wurden, - und dies nachts, weil es bequem war, Menschen aus dem Schlaf zu reißen und sie eine halbe Stunde später, von anderen möglichst unbemerkt, abzutransportieren. Manches Kind auf dem Hof der August-Lämmle-Schule wird verstört gedacht haben: Kann man mich und meine Eltern und meine Geschwister auch so abholen?

Die Familie Jashari hat in der Gemeinschaft unseres Dorfes gelebt: fleißig, hilfsbereit, angesehen, nicht auf Kosten anderer lebend. Die Sprecherin des Regierungspräsidiums hat Recht, wenn sie feststellt, die Familie sei bereit gewesen, freiwillig auszureisen. Aber mit der ihr gegebenen Zusage der Duldung bestand für die Familie zur Zeit kein Grund für eine Ausreise.
In der weihnachtlichen Zeit können wir erfahren, was Geborgenheit bedeutet in einer von Leid gezeichneten Welt. Von allen Kanzeln der Christenheit, in unzähligen Krippenspielen wird die Geschichte Gottes mit uns Menschen bezeugt Es wird berichtet, dass die Leute in Bethlehem für Maria und Joseph "keinen Raum in der Herberge hatten", - aber sie wurden wenigstens in einen Stall eingewiesen. Und heute? Da kann es sein, dass Menschen "bei Nacht und Nebel" wie Kriminelle ausgewiesen werden. "Abschiebungen trotz zuvor erteilter Duldung sind durchaus üblich." Es wird angeordnet: Für die Familie Jashari in der Lustnauer Straße 56 in Kusterdingen ist kein Raum mehr. Warum wird die Geborgenheit einer Familie in einer Dorfgemeinschaft zerstört? Christus kreuzt unseren Weg nicht als ein "holder Knabe im lockigen Haar", sondern als einer der Bedürftigen unter uns, - etwa als heimatlos gemachter Ausländer.

Fritz Mybes, Pfarrer im Ruhestand, Kusterdingen, Klingenstraße 10/12


»Eine 5-köpfige Menschenfamilie«

Die Empörung war groß und löste eine Flut von Leserbriefen aus, als die Schwäne des Anlagensees umgesiedelt werden mussten.

Vor einigen Tagen wurde eine 5-köpfige Menschenfamilie, darunter ein noch nicht vierteljähriges Kind, um zwei Uhr in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und in den Kosovo abgeschoben.

Kann man sich dieses entsetzliche Geschehen vorstellen? ... Kann man ermessen, was es für die Kinder bedeutet, wie dieses Geschehen auf sie wirkt?
Und wie wird dieses Vorgehen durch die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums begründet? Was haben die Eltern sich zuschulden kommen lassen? Sie "haben seit Jahr und Tag versprochen, freiwillig auszureisen". Ist es schlimm, wenn ein Mensch, der vor der Not geflohen, sich hier eingelebt hat, dessen Kinder hier geboren und in Schule und Kindergarten integriert sind, der durch seine Arbeit seine Familie ernährt, dessen Familie hier heimisch geworden ist, kurz: der sich hier eine Existenz aufgebaut hat, wenn ein solcher Mensch, so es von ihm verlangt wird, die freiwillige Ausreise verspricht, auch wenn er dies nicht ernsthaft vorhat? Konnte er sich doch wohl nicht vorstellen, dass geschieht, was nun geschehen ist.

Originalton der Pressesprecherin: "Dann sind wir ja auch gehalten, abzuschieben". Also, alles ging nach Recht und Gesetz vor sich?
Ich weiß, weil ich die bittere Erfahrung habe, dass mein Leserbrief nichts bewirkt. Trotzdem ein Zitat nach dem in Innsbruck lehrenden Jesuiten Raymund Schwager: "Beide Religionen" (Christentum und Islam) "vertrauen nicht auf anonyme Mechanismen, sondern sehen eine Aufgabe darin, die Welt so zu gestalten, dass sie soweit möglich dem Willen Gottes entspricht."
In der Theorie vielleicht, in schönen Absichtserklärungen, in endlos heruntergeleierten Gebeten (" ... Dein Wille geschehe...") Aber in der Tat? Wo bleibt das klare Wort der Kirche zu einem solchen menschenverachtenden Vorgang?

Wilma Lechler, Poltringen, Pfalzgrafenring 8


»Mitten in kalter Nacht«

Ist es das, was deutsche Behörden mit Weihnachten verbinden, behördliche Ausgeburt christlichen Empfindens? Das erinnert das Gestapo-Methoden.
Mitten in kalter Nacht die Familie Jashari aus dem Schlaf reißen, die zwei kleinen Kinder entsetzen, das kleine Mädchen und den zweieinhalb Monate alten Säugling im Winter in fremder Gegend hinschaffen, aussetzen, wo sie nicht wissen wohin.

Das bei einer Familie, die seit zehn Jahren hier, der Vater arbeitet und ernährt die Familie, das Mädchen in der Schule, daheim, die Duldung nicht abgelaufen.
Wenn schon zurück ins Herkunftsland, ginge das doch auch im Sommer und am Tag - statt so in behördlicher Brutalität.

Behörde und menschliches Mitgefühl - sollte das in einem christlichen Land unmöglich sein? Ich fordere, die Familie wieder einreisen zu lassen bis mindestens Ende März 2003.

Dr. Barbara Brachmann, Tübingen, Brahmsweg 21


»Eine brutale Scheiße«

Nächtlicher Überfall. Entführung und Verschleppung. So müsste man es eigentlich nennen, wenn einige Menschen mitten in der Nacht eine Familie aus dem Schlaf reißen und gegen ihren Willen in ein weit entferntes Land zwingen, welches längst nicht mehr ihre Heimat ist. Klar ist: Es stimmt was nicht mit einem Staat, der seine bezahlten Helfer wie Räuber und Einbrecher um 2 Uhr nachts zu Menschen schickt, um sie möglichst wehrlos und ohne Zeugen und öffentliches Publikum aus dem Land werfen zu können. Eine brutale Scheiße ist das, die mich beschämt und zornig macht!

Was bleibt da angesichts des bevorstehenden Festes zu wünschen? Der Familie eine umsichtige Fluchthilfe-Organisation und baldige Rückführung nach Kusterdingen, und den verantwortlichen Schreibtischtätern und Politikern zumindest eine ausgeprägte Magen-Darm-Grippe über die Feiertage (über weitere niedere Phantasien will ich schweigen). Wenn es denn im Himmel eine gerechte und barmherzige Instanz geben sollte - und die Tage geht es ja auch wieder irgendwie um dieses Thema - dann will ich ihr diese Wünsche von ganzem Herzen antragen.

Thomas Pfister, Weilheim, Bronnackerstraße 38


»Die das zu verantworten haben«

Weihnachten 2002, eine Familie mit einem Baby, das noch kein Vierteljahr alt ist, wird nachts um zwei aus dem Bett geholt und in den winterlichen Balkan geflogen. Denen, die das zu verantworten haben, sei folgendes gesagt: Sie glauben, Sie hätten im Interesse des Landes gehandelt, Sie glauben, Sie hätten Ihre Pflicht getan. Was Sie in Wirklichkeit getan haben ist: Sie haben eine anständige, rechtschaffene Familie ins Unglück gestürzt.

Thomas Ellinger, Kusterdingen, Gartenstraße 4

Lesen Sie weiter im Schwäbischen Tagblatt vom 24.12.2003




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