Weihnachten 2002
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Schwäbisches
Tagblatt vom
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Schwäbisches
Tagblatt vom 20. Januar 2003:
LeserbriefeDas
baden-württembergische Innenministerium als oberste Behörde-
in Sachen Asyl gibt zur Abschiebung der Familie Jashari aus Kusterdingen
immer noch keine Stellungnahme ab ("Schweigen in Stuttgart",
16. Januar). "Erwarten öffentlich
Antwort" Wir müssen noch einmal
gegenreden. denn das Stuttgarter Schweigen scheint zur amtlichen Verweigerung
zu werden. Dieter Wiesinger, Pressesprecher des baden-württembergischen
Innenministeriums, will - in der Angelegenheit Familie Jashari - nur
eine Anfrage kennen: die des Abgeordneten Boris Palmer. Weitere Anfragen,
gerichtet an Minister Dr. Thomas Schäuble - etwa unsere vom 31.
Dezember 2002 oder die der Kusterdinger Kirchengemeinden mit vielen
Unterschriften - nimmt er nicht zur Kenntnis. Tut er es deswegen nicht,
weil sie für ihn keine ernst zu nehmenden Fragen enthalten? Oder
vielleicht deswegen nicht, weil sie nur von einfachen Bürgern kommen?
Noch warten wir auf Antwort, denn wir gehören zu dem Volk, von
dem alle Staatsgewalt ausgeht (GG 12) und trauen uns politische Mitverantwortung
zu. So viel Traute verrät
Grit Puchan nicht, Pressesprecherin des Tübinger Regierungspräsidiums.
Beamte hätten Gesetze nur auszuführen, nicht aber zu machen.
Wirklich? Müssen Beamte ihren demokratischen und solidarischen
Gemeinsinn grundsätzlich fahren lassen? Gehören sie nicht
zum Staatsvolk der BRD? Wirken sie als Wählerinnen den nicht an
politischen Entscheidungen mit? Und wären sie nicht die ersten,
die - bei Verdacht auf Unsinn eines Gesetzes oder einer Verwaltungsvorschrift,
die zu vollstrecken ihnen dann ja zugemutet wird - genügend Motive
dazu hätten, legal auf Änderungen zu dringen. Aber wenn sie
dann schon als nur ausführende Organe handeln: Welches Gesetz bitteschön
schreibt vor, dass Asylanten im Winter bei Nacht und Nebel abzuschieben
sind? Auch darauf erwarten wir öffentlich Antwort. Astrid und Wolfgang Bartholomäus, Kusterdingen, Hohenlehenstraße 23 Die
Abschiebung der Familie Jashari aus Kusterdingen ruft Erinnerungen an
eigenes Erleben wach. "Völlig überrumpelt" Jeder ist Ausländer
fast überall - Dieser Ausdruck auf einem T-Shirt fällt mir
immer ein, wenn ich etwas über Abschiebung lese. Aus meiner Tätigkeit
als Erzieherin, damals im Kiga Blumenküche in Mössingen, erinnere
ich mich an eine Abschiebung einer Familie. In der Gruppe meiner Jüngeren
Kollegin war eine fünfköpfige Familie. Das älteste (vierjährige)
wurde regelmäßig vom Vater in den Kiga gebracht. An einem
Nachmittag kam ein Anruf von der Stadtverwaltung, ob das Kind da sei. Wir erteilen eine positive
Auskunft. Kurz darauf erschien der zuständige Sachbearbeiter und
klärte uns darüber auf, das die Aufenthaltsgenehmigung dieser
Familie abgelaufen sei und heute noch abgeschoben würde! Die junge Mutter wurde mit
ihren drei Kindern - ohne Vater (dieser war wohl untergetaucht) - auf
den Flughafen gefahren. Ich bin selbst Mutter, und mir war dabei gar
nicht wohl! Ich habe inzwischen mit dem
verschiedensten Nationalitäten im Kindergarten zu tun gehabt. Es
war mir egal, welche Hautfarbe ein Kind hat. Anfangs gab es häufig
Sprachprobleme -aber die ausländischen Eltern waren immer sehr
nett und gaben sich große Mühe, ihre Kinder in unsere Gesellschaft
zu integrieren! Sollten wir dies nicht auch tun? Maria-Helene Gölz, Mössingen, Breitestraße 19 Die Gomarinper Familie Advijaj soll "Mitten im Winter ins Nichts" (15. Januar) abgeschoben werden. "Nichts unversucht
lassen" Nach der Kusterdinger Familie
soll nun auch eine Familie aus Gomarin gen, die seit langen Jahren hier
integriert ist, abgeschoben werden. Das ist eine vom Schreibtisch ausgehende
Gewalttat. Diese Gewalt richtet sich aber nicht nur gegen diese Familie
selbst, sondern auch gegen uns mit dem deutschen Pass. Wir brauchen
diese Familie doch! Es ist doch mittlerweile eine Binsenweisheit, dass
unsere überalterte Gesellschaft in einen völligen Engpass
gerät, wenn wir nicht durch Migration junge Leute hierher bekommen.
Diese geplante Abschiebung ist einfach Dummheit, die sich auf Vorschriften
beruft. Vielleicht ist es angebracht, in diesem Zusammenhang einmal
das Neue Testament in Erinnerung zu rufen: Jesus setzt sich über
das Sabbatgebot hinweg, indem er am Sabbat Kranke heilt, und er begründet
das damit, dass der Mensch wichtiger sei als das Gesetz. Wir danken dem TAGBLATT,
dass es diese geplante Unmenschlichkeit überhaupt publik gemacht
hat. Das ist heutzutage in den Medien nicht mehr selbstverständlich.
Gut wäre es zu erfahren, wo genau kann man gegen diese Abschiebung
unterschreiben, was tun andere, was können wir auch tun? Am wirksamsten
sollen übrigens Anrufe sein, für die Behörden viel schwieriger
zu bewältigen als E-Mails. Jedenalls darf man nichts unversucht
lassen. Annemarie Hopp, Gerhard Luther,
Tübingen, Ob der Ammer 8 Weitere Texte zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung folgen am 21. Januar |