Weihnachten 2002
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Adeste
fideles?
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Schwäbisches
Tagblatt vom
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Schwäbisches Tagblatt vom 3.1.2003: BEIM CHECK beim Herzspezialisten Zeichnung: Buchegger LeserbriefeDie
Abschiebung der Familie Jashari aus dem Kosovo kurz vor Weihnachten
stößt weiterhin auf Empörung. "Entscheidung rückgängig
machen" Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
wir wenden uns heute an Sie, weil uns ein Artikel, den wir in der "Süddeutschen
Zeitung" über die Asylpraxis in Baden-Württemberg gelesen
haben, dermaßen erschüttert hat, dass wir unserer Entrüstung
auf diese Weise Ausdruck verleihen müssen. Meine Frau und ich sind beide
in Baden-Württemberg aufgewachsen und nach dem Studium nach Bayern
umgezogen. Da wir uns aber nach den vielen Jahren in Bayern immer noch
als Baden-Württemberger fühlen und unsere Herkunft bisher
auch stets mit Stolz vertraten, fühlen wir uns dazu legitimiert
und als mündige Bürger sogar dazu verpflichtet, zu einem Vorgang,
wie er sich offensichtlich in der Gemeinde Kusterdingen abgespielt hat,
Stellung zu beziehen. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
bisher waren wir der Meinung, dass solch unmenschliche Praktiken eher
der Politik der bayerischen Staatsregierung entsprachen. Nun müssen
wir mit großem Bedauern feststellen, dass es solch inhumane Hardliner
auch in Ihrem Kabinett gibt. Da wir wissen, dass Sie sich kirchlich
sehr engagieren und die von Ihnen geführte Partei zudem auch noch
das "C" im Namen trägt, sind wir davon überzeugt,
dass ein derartiges Vorgehen auch nicht mit Ihrem christlichen Menschenbild
vereinbar ist. Deshalb haben wir auch die Hoffnung, dass Sie alles in
Ihrer Macht Stehende tun werden; um die von Ihrem Innenminister ohne
jegliches Fingerspitzengefühl und ohne Anzeichen von mitmenschlicher
Anteilnahme zu vertretende Abschiebung rückgängig zu machen.
Bitte denken Sie hierbei insbesondere auch an die Kinder, die allesamt
in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Geben Sie der Familie
eine Chance! Wir wissen, dass wir eine
politisch nahezu utopische Bitte an Sie richten, haben aber die Hoffnung,
dass erkanntes Unrecht beziehungsweise Unmenschlichkeit auch in der
Politik korrigierbar sein sollten. Ihnen trauen wir es auf Grund Ihrer
Persönlichkeit und kraft Ihres Amtes zu, diese unsägliche
Entscheidung rückgängig zu machen. Herrn Thomas Schäuble
und seiner Familie sowie allen sonstigen Vertretern einer die menschlichen
Aspekte außer Acht lassenden Asylpolitik wünschen wir, dass
sie, sollte sie sich einmal in ähnlichen Nöten wie die Familie
Jashari befinden, humanere Richter finden. In der Hoffnung, dass unsere
Worte und die vieler anderer Mitbürger nicht ungehört bleiben,
wünschen wir Ihnen alles Gute im neuen Jahr und weiterhin viel
Erfolg bei Ihrer Arbeit für das Land Baden-Württemberg. Dorothea Turina-Förster und Wolfgang Förster, Puchheim, Kiefernstraße 39 "Das Bundesverdienstkreuz" Zu der Nacht- und Nebelaktion
in Kusterdingen möchte ich folgendes vorschlagen. Den tapferen
Polizisten und ihren Auftraggebern muss das Bundesverdienstkreuz 1.
Klasse verliehen werden. Es gehört viel Mut dazu, ein zwei Monate
altes Baby aus dem Schlaf zu reißen. Karl Hartmeyer, Nehren, Roßbergstraße 3 "Zorn und Schamröte" Sehr geehrter Herr Minister
Schäuble, ich war erst wenige Minuten zurück von der Kusterdinger
Protestveranstaltung (Silvester 2002, 19 Uhr) gegen die trotz behördlich
ausgesprochener Duldung kurz vor Weihnachten (am 17. Dezember 2002)
in einer "Nacht- und Nebel-Aktion" (gegen 2 Uhr morgens) durchgeführte
- in ihrer Form menschenverachtende, in der Sache äußerst
fragwürdige - Abschiebung der Familie Jashari. Da sehe und höre
ich den CDU-Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg,
Erwin Teufel, in seiner Neujahrsansprache (19.54 Uhr, Südwest-Fernsehen)
"unsere ausländischen Mitbürger und Mitbürgerinnen
besonders" grüßen und dann eindringlich davon sprechen,
wir sollten "unser Zusammenleben friedlich, hoffnungsvoll und menschlich"
gestalten, "Zeichen der Hoffnung setzen in einer ziemlich hoffnungslosen
Situation" und - ihm ! - dabei helfen, "Solidarität und
Mitmenschlichkeit in unserer Gesellschaft zu verwirklichen". Es
trieb mir den Zorn und die Schamröte ins Gesicht. (...) Ich bitte Sie dringend um
Auskunft: 2. Welche rechtliche und
damit bindende Bedeutung hat eine amtlich ausgesprochene Duldung von
Asylanten? 3. Welche übergreifenden
allgemeinen politischen Interessen haben wen dazu veranlasst, den -
beim Vollzug von Entscheidungen doch immer bestehenden - Ermessensspielraum
illegitim einzuschränken? 4. Welches Gesetz oder welche
Rechtsverordnung rechtfertigt die unangekündigte und plötzliche
Abschiebung einer Familie - der dadurch jede Möglichkeit genommen
wird, ihre Sachen zusammenzupacken und sich von ihren Mitbürgern
und Mitbürgerinnen zu verabschieden? 5. Warum musste die Abschiebung
im Schutze der Nacht erfolgen? Vor wem hatten die Täter Angst?
Was hatten sie zu verbergen? 6. Ist es wahr, dass gemunkelt
wird, dass das Sparkonto der Familie Jashari behördlich gesperrt
wurde, um aus ihm die Abschiebung bezahlen zu können? 7. Was können Sie dafür
tun, dass der Familie Jashari die Einreise wieder erlaubt wird - dazu,
unter uns zu leben, und wenn nicht, so doch dazu, ihre Sachen zu packen
und sich auf eine Weise zu verabschieden, die unter uns normal ist? 8. Auf welche Weise wird
in Zukunft politisch und gesetzlich dafür gesorgt, dass sich eine
solche amtliche Verachtung der Würde von Menschen niemals und nirgendwo
wiederholen kann? Ihre Antworten könnten
den Bürgern Kusterdingens helfen, das menschenverachtende Handeln
mancher Baden-Württemberger Politiker mit den hehren Prinzipien
der Landespolitik - Solidarität und Mitmenschlichkeit - zusammenzubringen,
welche die Neujahrs-Rede des Ministerpräsidenten BadenWürttembergs
uns vor Augen stellte. Wolfgang Bartholomäus, Wankheim, Hohenlehenstraße 23 "Hoffentlich Magenkrämpfe" Was sich kurz vor Weihnachten
bei uns in Deutschland, angeblich in einem der reichsten Länder
Europas, zugetragen hat, ist ehrlich gesagt eine feige Tat. Es ist nicht
das erste mal, dass ich das erlebe, denn als ich vor langen Jahren vom
Krieg heimkam - meine Mutter ist im Sudetenland auf eine Mine gelaufen,
und so kam ich nach Bayern und ich hatte ja nichts mehr außer
meine lädierten Beine, ein Andenken vom Krieg - da wollte ich einen
Hut haben, da es Winter war, und da erlaubte sich so ein Schreibstubenhengst,
der seinen Arsch schön warm im Bürostuhl hielt, mir zu sagen,
dass ich ja so schöne Haare habe, und da braucht man wohl keinen
Hut. (...) Und so geht es heute Leuten aus dem Kosovo. (...) Dass man eine Familie nachts
aus dem Bett herausholt, noch dazu mit einem Säugling, dazu kann
man nur sagen, hoffentlich haben die Verantwortlichen die ganzen Feiertage
solche Magenkrämpfe, dass sie endlich erwachen und feststellen,
was sie verkehrt machen. Leider trifft es noch immer nur die Armen.
Und was hat ein Säugling auf der Welt verloren, solange es solche
Menschen gibt, die nur ihre Macht beweisen wollen. Für diese Familie
wird es keine schönen Feiertage geben, denn ich kann mir das Land
vorstellen, das zerbombt wurde, wo es noch nicht mal Strom gibt, um
sich zu wärmen. Was das heißt, zu frieren, kann ich aus eigener
Erfahrung sagen, denn ich hatte auch ein Weihnachten mit 52 Grad Kälte,
und was das heißt, kann sich wohl keiner vorstellen. Aber wir
haben ja auch keinen Krieg mehr. Hans Leicher, Gomaringen, Ilse-Graulich-Weg 3 "Oder 13 Silberlinge" Wer sind die guten deutschen,
sicher hochrangigen Staatsdiener, die ihre Unterschrift unter das Abschiebepapier
gesetzt haben? Als Schreibtischtäter stark - aber dann kein Mut,
sich dazu zu bekennen? Warum denn so feige, die Herren? Ich denke, es
ist alles korrekt und gesetzestreu "vollzogen" worden? Dafür
muss sich ein guter deutscher Beamter doch nicht schämen ... Denn wir erinnern uns - deutsche
Bürokraten waren immer sehr stolz darauf, dass auch die Vernichtung
von sechs Millionen jüdischer Mitbürger bürokratisch
mit absoluter Behörden-Perfekion "vollzogen" worden war.
Aufgabe ausgeführt - präzise, gründlich und natürlich
immer korrekt. Wer sind die uniformierten
Helfer, die sich für solche deutschen Aktionen hergeben? Ersetzt
die Uniform das Gewissen? Ach ja ? Befehl ist Befehl, natürlich.
Mit diesem Argument haben ja schon die KZ-Folterer ihr reines Gewissen
verteidigt. Willkommen im Club. Wie lief das dann? Auch im
schwarzen Ledermantel? Die Tür eingetreten und dann mit schneidiger
Stimme die notwendigen Kommandos gegeben? Zack, zack, marschmarsch,
tempotempo - die gepflegte Sprache des deutschen Herrenmenschen? Besonders
immer wie gerne nachts um zwei. Hatten Sie - die Bürokraten
und die uniformierten Helfershelfer - dann eine gute Weihnacht? Mit
Kindern und Enkeln wohlig und warm unterm Tannenbaum? Haben Sie in der
Kirche gesessen, vom lieben Jesus-Kindlein gesungen und Christentum
geheuchelt? Und natürlich nicht an das Baby gedacht, gerade mal
knappe drei Monate alt, das ihr aus der Wärme in die Kälte
gerissen habt. Warum auch. Es lief doch
alles politisch-bürokratisch so wunderbar korrekt - was schert
da der Mensch ... Und was haben Sie bekommen für diese menschliche
Niedertracht? Ein Lob vom Dienstherrn? Oder 13 Silberlinge? Und ich schäme mich
schon wieder, ein Deutscher zu sein. Michael Diestel, Gomaringen, Rathausstraße 9 Fortsetzung der Kusterdinger Weihnachtsgeschichte im Schwäbischen Tagblatt vom 7.1.2003 |