Schwäbisches
Tagblatt vom
23.
12. 2002
24.
12. 2002
27.
12. 2002
28.
12. 2002
30. 12. 2002
31. 12. 2002
2.
1. 2003
3. Januar
7. Januar
8.
Januar
10. Januar
14.
Januar
15. Januar
16. Januar
17. Januar
18. Januar
20. Januar
21.
Januar
22.
Januar
23. Januar
24. Januar
25. Januar
29. Januar
30. Januar
31. Januar
1. Februar
6.
Februar
7.
Februar
8.
Februar
11.
Februar
24.
Februar
|
Schwäbisches
Tagblatt vom 18. Januar 2003:
Der Widerstand
formiert sich
Gomaringer unterstützen
die von Abschiebung bedrohte Familie Avdijaj
Schüler der Gomaringer
Schloss-Schule haben Plakate zur Unterstützung ihrer von Abschiebung
bedrohten Mitschülerin Elvira Avdijaj und deren Familie gemalt
und an die Schultüren geklebt.
Bild: Franke
GOMARINGEN (slo). Jede
Menge Briefei, von Schülern, Lehrern, Eltern, anderen Gomaringern
und von Abgeordneten erreichen zur Zeit den Petitionsausschuss, das
Innen- und das Sozialministerium und das Regierungspräsidium. Alle
Absender wollen dasselbe: Dass die Familie Avdijaj nicht abgeschoben
wird. Am Montag ist eine Informationsveranstaltung im Sportpark in Gomaringen.
Bis Samstag, 25. Januar,
soll die fünfköpfige Familie Avdijaj die Bundesrepublik verlassen,
andernfalls wird sie abgeschoben. Der Termin auf diesem Bescheid, den
Isem Avdijaj vom Landratsamt bekommen hat, ist für die Regierung
aber nicht bindend: Jederzeit kann die Familie, deren Duldung abgelaufen
ist, ins Flugzeug verfrachtet werden. Wie Anwalt Arnold Koschorrek sagt,
sei ein Flug bereits gebucht, den Termin allerdings weiß er nicht.
Es eilt also. Und das wissen
Schüler, Lehrer und Eltern der Gomaringer Schloss-Schule. Die Schüler
beschäftigen sich in ihrem Unterricht mit allem, was irgendwie
mit Abschiebung zu tun hat. Sie informieren sich über die Menschenrechtskonvention,
über die Rechte der Kinder, die Unesco, die bundesdeutsche Abschiebepraxis,
über den Kosovo und Rest-Jugoslawien. Sie sammeln Unterschriften
in der Schule und im Ort. Sie haben Artikel ausgeschnitten, Plakate
gemalt und einen Serienbrief ins Internet gestellt, mit dem gegen die
geplante Abschiebung der Familie Avdijaj protestiert wird (zu finden
unter www.ssg.tue.bw.schule.de. Sie haben an die Schultür Hilferufe
geklebt und Begründungen, weshalb die Familie in Gomaringen bleiben
soll. "Weil wir sie alle lieb haben", steht da und "weil
die Familie sich hier gut verhält." Gestern hat die SMV der
Schule zu einer inoffiziellen Versammlung eingeladen, um über die
Familie und das ihr drohende Schicksal zu informieren.
Aber nicht nur die Schüler
engagieren sich. Das Lehrerkollegium und Rektor Erich Jung haben einen
Brief an den Petitionsausschuss geschrieben, weitere Briefe kamen von
der Realschule Steinlach-Wiesaz, die der zwölfjährige Edvjn
besucht, von der SPD-Abgeordneten Rita Haller-Haid, vom Elternbeirat
und von Privatpersonen. Der Elternvertreter der Klasse 8 der Schloss-Schule
Peter Flaisch hat Unterschriften von fast allen Eltern der Klasse bekommen
und außerdem diverse Briefe, unter anderem an Regierungspräsident
Hubert Wickert und Sozialminister Friedhelm Repnik, geschrieben. Auch
Pfarrer Reinhard Spielvogel unterstützt die Familie. In der Kirche
liegen Unterschriftenlisten aus, außerdem wird sich der Kirchengemeinderat
Anfang kommender Woche meiner Sondersitzung überlegen, was er für
die Familie tun kann.
Protestiert wird vor allem
wegen der Unmenschlichkeit dieser Abschiebung: Mitten im Winter sollen
fünf Menschen in ein zerstörtes Gebiet abgeschoben werden,
in ein Land, in dem sie keinen Unterschlupf und keine Arbeit haben.
Wie berichtet, soll die Familie nach Serbien fliegen, weil sie einer
Minderheit angehört und deshalb nicht in den Kosovo abgeschoben
werden kann, woher Isem und Dzevahire Avdijaj stammen. Protestiert wird
aber auch wegen der Kinder, die kein Jugoslawisch sprechen. Seit zehn
Jahren leben die Avdijajs in Deutschland, alle drei Kinder besuchen
die Schule hier - und haben weder in Serbien noch im Kosovo die Chance
auf eine Ausbildung.
Dazu kommt noch, dass auch
die pflegebedürftige Nusha Avdijaj, die Mutter von Isem Avdijaj,
bei der Familie in Gomaringen lebt. Vor zwei Jahren ist sie gekommen,
von der Abschiebung betroffen ist sie aber nicht. "Sie liegt im
Bett", berichtet die 14-jährige Elvira Avdijaj, "meine
Mutter pflegt sie." Nur selten stehe die 72-Jährige auf, laufen
könne sie kaum. "Wenn die Familie abgeschoben wird, muss die
Frau in ein Pflegeheim. Das kostet den Staat eine Menge Geld",
sagt Waltraud Klett, die Klassenlehrerin von Elvira.
Inzwischen waren, so berichtet
Elvira, zwei Mitarbeiterinnen des Landratsamts bei der Familie, die
gefragt hätten, wer die Kosten für den Flug zahlen solle.
"Wir sollten irgendeinen Antrag stellen, das haben wir aber nicht
getan", erzählt sie. Beim Landratsamt war gestern Nachmittag
niemand zu erreichen. Der Anwalt der Familie Avdijaj Arnold Koschorrek
vermutet, dass so versucht werde sollte, der Familie schneller Ausreisepapiere
zu beschaffen.
In einer Bekanntmachung im
aktuellen Gemeindeboten äußert sich auch Bürgermeister
Manfred Schmiderer. Unter anderem heißt es da: "Ich hoffe
nach wie vor, dass noch eine für beide Seiten akzeptable Lösung
gefunden wird, und unterstütze eine solche Lösung - ohne an
der Entscheidung mitwirken zu können. Die Ausländerbehörde
des Landratsamts Tübingen sucht zur Zeit im Benehmen mit der Bezirksstelle
nach einer Rückkehrmöglichkeit außerhalb einer Abschiebung
im oben angegebenen Zeitraum."
Über die Situation der
Familie berichten deren Freunde am Montag 20. Januar, um 20 Uhr in der
Gomaringer Sportgaststätte. Dort soll auch Ideen gesammelt werden,
was für die Familie unternommen werden kann. Ebenfalls am Montag
ist ein Team des SWR-Landesstudios in Gomaringen. Der Beitrag ist für
Dienstag um 18.45 Uhr in der Landesschau geplant.
Weitere
Texte zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen
Tagblatt vom 20. Januar 2003
|