Weihnachten 2002
 

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Pressestimmen zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung


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Schwäbisches Tagblatt, 24. Februar 2003, S. 26


Kunstradfahren war nur eine der vielen Attraktionen, die am Samstag vor über 400 Besuchern in der Gomaringer Lindenhalle zugunsten der von Abschiebung bedrohten Familie Avdijaj auf die Bühne gebracht wurden. Bild: Franke


Ihre Heimat ist Gomaringen

Welle der Solidarität: Hunderte unterstützten die von Abschiebung bedrohte Familie Avdijaj

GOMARINGEN (re). Riesenresonanz für die Gomaringer Familie Avdijaj, die von der Abschiebung nach Jugoslawien bedroht ist. Gut 400 Besucher kamen am Samstagnachmittag zu einer von Lehrern, Eltern und Mitschülern organisierten Benefizveranstaltung in die Lindenhalle.

"Dass hätte ich nicht gedacht, dass so viele kommen." Schlossschul-LehrerinWaltraud Klett war baff über so viel Solidarität. Die 25 Arbeitskreis-Mitglieder der Bürgerinitiative hatten problemlos Gomaringer Vereine und (Nachwuchs-)Künstler für Gratis-Auftritte gewonnen - genug für mehr als zweieinhalb Stunden Programm. Schnell war der knappe Zeitplan hoffnungslos überzogen. Kunstradfahrer, Bläser und Orchester traten vor rund 400 Zuschauern auf. "Der Beifall soll sich auch in Spenden äußern", mahnte Mitorganisator und Lehrerkollege Günter Schneider.

70 Grundschüler/innen spielten Flöte und Mundharmonika, zwei Mit-Realschüler aus der siebten Klasse des zwölfjährigen Edvin Aväijaj übergaben einen 1112-Euro-Scheck Die musikalischen Gäste kamen auch aus Dußlingen und Gönningen. "Alles Liebe" hieß es auch vom Tanzstudio, vorher trat die Schul-Tanzgruppe mit der 14-jährigen Elvira Avdijaj auf.

Eine Solidaritäts-Adresse gab es auch von Ahmet Güler, dessen kurdische Familie wie berichtet nach mehr als zwei Jahren Tübinger Kirchenasyl den Abschiebe-Stopp erkämpft hat. Er schilderte das schwere Leben in Unterkünften, den geringen Kontakt zur Bevölkerung. "Als Flüchtling in Deutschland zu leben ist schwer, und es wird immer schwieriger für uns. Man muss jeden Tag darüber nachdenken: Wann wird man abgeschoben?"

Auf den Tischen türmten sich die Kuchen zum Solidaritätspreis, überall wuselten Helfer. "Die meisten sind Lehrer", meinte Elvira Avdijaj. Ihr Vater Isem half auch mit. "Die Hoffnung ist immer da", sagte er. "Sonst hat man automatisch verloren", ergänzte die Tochter. Die fünfköpfige Familie freute sich auch über Unterstützung aus den Nachbargemeinden Dußlingen und Nehren. "Er ist der Bruder meines Vaters" - Neffe Albert kam extra aus dem Sauerland zum Mitanpacken.

Die Familie wartet weiter auf Neuigkeiten im Landtag. "Einmal im Monat tagt der Petitionsausschuss", wusste die Tochter. Nein, sie haben keine Kontakte nach Jugoslawien oder in den Kosovo. "Wir müssten wohl auf die Straße", sagten sie. "Ohne familiäres Unterstützungsnetzwerk hat man kaum eine Chance, einen Fuß auf den Boden zu kommen", erläuterte auf der Bühne Andreas Foitzik, der Sprecher des Unterstützerkreises.

Wie berichtet, soll die Familie als Angehörige der Ashkali-Minderheit nach Rest-Jugoslawien abgeschoben werden. Denn die Flüchtlingslager im Kosovo, erläuterte Lehrerin Klett, lehnen es ab, solche Minderheiten aufzunehmen. Die Bundesrepublik Jugoslawien habe zwar eine Übernahme der Familie zugesichert. "Da sie aber keine Serben sind, werden sie von der dort lebenden Bevölkerung abgelehnt." Außerdem sprechen die drei Kinder kein Serbisch.

"Die Familie hat dort keine Heimat. Ihre Heimat, besonders die der Kinder, ist hier in Gomaringen", so die Lehrerin. Die Avdijajs leben seit zehn Jahren in Deutschland, neun davon in Gomaringen. Vater Isem arbeitet bei der Bäckerei Schmid. "Sein Chef würde ihn gerne noch viele Jahre beschäftigen", so Foitzik. Und Mutter Dzevahire sei ausgebildete Krankenschwester. "Warum holen sie Krankenschwestern aus dem Ausland und schieben die ab, die eine Heimat gefunden haben?"

"Vor allem die Situation der Kinder lässt Lehrer und Mitschüler aufschreien", sagte der Sprecher der Initiative. Er forderte eine humanitäre Geste und eine politische Lösung. Im Land gebe es nicht mehr viele Familien in ähnlicher Lage. "Flüchtlinge werden zur Statistik, zur Quote, die einzelne Behörden erfüllen müssen." Jeder Einzelfall sei auch ein Präzedenzfall. "Wir werden noch einen langen Atem brauchen." Den probten sie schon am Benefiz-Tag: Das Programm dauerte bis nach 18 Uhr, abschließend intonierten die Künstlerinnen: "Imagine".


INFO: Donnerstag, 27. Februar, um 20 Uhr ist im Bürgersaal des Gomaringer Schlosses eine Infoveranstaltung über die Lebensverhältnisse im Kosovo. Johannes Flothow (Diakonisches Werk) berichtet über den Alltag im zerstörten Land und die Rückführung von Flüchtlingen. Der Tübinger Rechtsanwalt der Familie Manfred Weidmann spricht über die gängige Asylpraxis.

Weitere Texte zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen Tagblatt am 28. Februar 2003




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