Weihnachten 2002
|
Adeste
fideles?
|
|
Schwäbisches
Tagblatt vom
|
LeserbriefeSchwäbisches Tagblatt, 11. Februar 2003 Zum
Fall der Familie Jashari in Kusterdingen, speziell zu den Leserbriefen
von Wolfgang Rist (8. Februar) und Thomas Ellinger (6. Februar). »Trauriges Lehrstück« Es ist schon ein kleines,
trauriges Lehrstück über politische Kultur, das man am Fall
der Familie Jashari miterleben kann. Wie bekannt, wird kurz vor Weihnachten
eine Familie mit Kleinkindern unter Bedingungen aus Kusterdingen abgeschoben
die eigentlich mit dem christlichen bzw. sozialen Selbstverständnis
der Landesregierung unvereinbar sind. Die Proteste der Vertreter der
Kirchen, der Gemeinde und vieler Bürger Kusterdingens richten sich
gegen die kaltherzige, familien- und kinderfeindliche Art und Weise
der Abschiebung. Niemand kann verstehen, warum ausgerechnet ein christlicher
Politiker wie Innenminister Thomas Schäuble (CDU) so handeln kann,
verpflichtet ihn doch sein Parteiprogramm ausdrücklich auf das
Wohl und den Schutz der Familie. Auf die Empörung reagiert er zunächst
einfach nicht. Als nach Wochen klar wird,
dass ein Aussitzen der Proteste nicht funktioniert, äußert
sich der Minister nicht etwa zu den Fragen der Bürger oder dem
Schicksal der Familie Jashari bzw. deren katastrophaler familiärer
Lage. Im Gegenteil, er teilt erst mal aus - und zwar mit "Herrscherles"-Mentalität
und mit allen Mitteln der Demagogie: Schuld sind plötzlich untergeordnete
Behörden (die ja vielleicht nach christlichem Wissen und Gewissen
gehandelt haben), Sachverhalte aus der zehnjährigen Kusterdinger
Wohnzeit der Jasharis werden so hingedreht, dass die Familie in ein
kriminelles Licht gerückt wird. Kein Wort aber ist zu hören
zu den Argumenten und Fragen der Bürger, der Kirchen- und Gemeindevertreter
Kusterdingens - mehr noch, sie sind nach Schäuble plötzlich
eher die Dummen, die sich halt nicht richtig informiert hätten.
Schlimm genug, dass Leserbriefschreiber wie Herr Rist dieser durchsichtigen
Argumentation auf den Leim gehen. "Menschenfressermenschen"
heißt ein Lied, das der Musiker Rio Reiser einmal über Schreibtischtäter
geschrieben hat, die nie was dafür können: "Und wenn
Menschenfresser weinen, tut ihnen alles plötzlich leid / und sie
können's ja nicht ändern, es ist halt ne harte Zeit...".
Nur - Minister Schäuble tut noch nicht mal was Leid - am wenigsten
wohl die Situation einer Familie mit traumatisierten Kindern in aussichtsloser
sozialer Lage. Klaus Herrberg, Kusterdingen,
Oberes Gässle 7 |