In der
Ausgabe vom 27. 12. 2002 des Schwäbischen Tagblatts stehen folgende
Texte zur
"Weihnachts-Abschiebung" der Familie Jashari in Kusterdingen:
Lichtzeichen
für Jasharis
Breite Solidarität
mit der abgeschobenen Familie
KUSTERDINGEN (upf). Mit
einer "Aktion Lichtzeichen" wollen viele Kusterdinger in der
Silvesternacht ihre Verbundenheit mit der in den Kosovo abgeschobenen
Familie Jashari bekunden und zugleich gegen die besondere Härte
der Abschiebung protestieren. Dies ist nur eine der Solidaritätsaktionen,
die auf dem ersten Treffen einer Initiative am Montagabend beschlossen
wurden. (Siehe auch Seite 21.)
Die fünfköpfige
Familie Jashari wurde - wie mehrfach berichtet - in der Nacht zum Mittwoch
vergangener Woche völlig überraschend von der Polizei aus
ihrer Wohnung geholt und am Morgen in ein Flugzeug nach Pristina gesetzt.
Das jüngste der drei Kinder ist ein knapp drei Monate altes Baby.
Mehr als vierzig Kusterdinger
Bürger, Freunde und Arbeitskollegen der Jasharis, zeigten auf dem
Initiativ-Treffen am Vorabend von Heiligabend im Bauerncafé "Höfle",
wie stark die Betroffenheit in der Gemeinde über die Abschiebung
ist. Ein älterer Mann aus Wankheim sagte, die Umstände empörten
ihn sehr; sie hätten ihn an Vorfälle erinnert, die er als
junger Mensch 1944 miterlebte. Eine Kusterdingerin bot an, mit ihrem
Privatauto in den nächsten Tagen in den Kosovo zu fahren.
Auch der Kusterdinger Bürgermeister
Jürgen Soltau nahm an dem Treffen teil. Er zeigte sich befremdet
darüber, dass er von der Abschiebebehörde nicht darüber
benachrichtigt wurde, was mit den Jasharis passiert sei. Soltau informierte
über den Spendenaufruf von vier örtlichen Kirchengemeinden
zugunsten der Familie.
In den Weihnachtsgottesdiensten
der Kusterdinger Kirchen war die Abschiebung ein Thema. Das Opfer des
Heiligabend-Gottesdienstes in der Evangelischen Kirche war für
die Jasharis bestimmt. In der Katholischen Kirche wurden besonders viele
Kerzen verkauft, deren Erlös ebenfalls dem Hilfskonto zugute kommt.
Diese und andere Kerzen sollen bei der "Aktion Lichtzeichen"
am Silvesterabend, 31. Dezember, um 19 Uhr am Brunnen in der Kusterdinger
Ortsmitte angezündet werden.
Als Unterschriftenliste kursiert
unterdessen ein offener Protest-Brief der Evangelischen Kirchengemeinde
(wir zitierten daraus in der Dienstagausgabe) an den baden-württembergischen
Innenminister Thomas Schäuble auch außerhalb Kusterdingens.
200 Unterschriften wurden allein in Gomaringen gesammelt.
Nächstes Initiativ-Treffen
am Sonntag, 29. Dezember, um 19 Uhr im Bauerncafé "Höfle".
Spendenkonto: Nummer 260 30 96, Kreissparkasse Tübingen, Kennwort
"Familie Jashari".
Ein Retter
für die abgeschobene Familie Jashari
Rund 4200 Menschen besuchten
an Heiligabend die Stiftskirche/Politische Bezüge in den Predigten
KREIS TÜBINGEN (hoy).
Gefüllte Kirchen und aktuelle Bezüge in den Predigten der
evangelischen Dekanin Marie-Luise Kling-de Lazzer und ihrem katholischen
Kollegen Thomas Steiger war die Bilanz an Weihnachten 2002. Allein am
Heiligen Abend kamen insgesamt rund 4200 Besucher(innen) zu den vier
Gottesdiensten in die Tübinger Stiftskirche.
Auch die anderen evangelischen
Gotteshäuser in der Gesamtkirchengemeinde Tübingen sowie im
Bezirk waren an Heiligabend und den beiden Weihnachtsfeiertagen gut
gefüllt. Am 24. Dezember kamen rund 800 Menschen in die Martinskirche,
jeweils 600 waren es in der Jakobus- und Stephanuskirche. Bereits etwas
abgeflaut war das Interesse dann an den beiden Weihnachtsfeiertagen:
Die Festgottesdienste in der Stiftskirche wurden von schätzungsweise
450 Gläubigen besucht, in der Stephanuskirche von 170. Auch in
der Nord- und Südstadt gab es viele Kirchgänger: In die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche
auf Waldhäuser-Ost kamen in den vergangenen drei Tagen rund 760
Menschen, und die Eberhardskirche hatte einen Ansturm von insgesamt
1650 Besuchern zu verkraften.
"Weihnachten bringt
einen Retter, der noch in den Windeln liegt", sagte die Dekanin
Marie-Luise Kling-de Lazzer in ihrer Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag.
Sie nahm darin auch Stellung zum drohenden Irak-Krieg und der Abschiebung
der fünfköpfigen Familie Jashari aus Kusterdingen, die vor
einer Woche in den Kosovo abgeschoben wurde (wir berichteten). Rettergestalten,
so die Dekanin, "die nach unserem Herzen wären, müssten
dagegen über menschliche Kräfte haben. Sie müssten Tyrannen
entmachten und Waffen vernichten ... und wenn wir schon wünschen
dürften, dann sollte der Retter wenigstens den Ausländerbehörden
in den Arm fallen, wenn sie fünf Tage vor Weihnachten eine Abschiebung
anordnen wie letzte Woche für eine Kusterdinger Familie mit einem
kleinen Baby".
Auch ihr Kollege Karl Kleinknecht kontrastierte an Heiligabend die Weihnachtsgeschichte
vom Kind im Krippen-Idyll mit der Gewalt in Israel/Palästina und
der Abschiebung der Familie Jashari. Dies alles, sagte Kleinknecht in
der Christvesper, könne man an Weihnachten ausblenden. "Aber
spätestens am Freitag ist das wieder auf der Tagesordnung, und
das gerade wegen der Weihnachtsgeschichte."
Einen anderen aktuellen Bezug knüpfte der katholische Dekan Thomas
Steiger in seiner Weihnachtspredigt. Ausgehend vom Kommentar des TAGBLATT-Chefredakteurs
und Mitverlegers Christoph Müller in der Weihnachtsausgabe machte
Steiger von der Tübinger Gemeinde St. Michael und St. Pankratius
in Bühl deutlich: Wer nicht dazu bereit sei, sich "von Problemlösungen
zu verabschieden, die allein auf die Macht der Menschen unter sich bauen",
werde nicht das Tröstende der Weihnacht finden. Darüberhinaus
gehe es um die Einordnung der eigenen Person in eine Welt, die "ausschließlich
Gott mit seinem Wort zum Leuchten bringen kann". Wer sich dieser
"prinzipiellen Überlegung verweigert, so der Dekan, "kann
die Rettung nicht bei Gott finden, weil er sie dort nicht sucht."
Leserbriefe
Zur Abschiebung
der Kusterdinger Familie Jashari.
"Unbeschreibliche
Wut"
Eine unbeschreibliche Wut,
treibt mich zu meinem ersten Leserbrief. Eine Wut auf unsere "christliche"
Landesregierung, die eine solch menschenverachtende Aktion, durch entsprechende
Gesetze und Anordnungen ermöglicht und auf eine Verwaltung, die
im vorauseilenden Gehorsam, im Namen dieser Gesetze dies so gnadenlos
durchführt. Die vorhandenen Spielräume nicht nutzt, sondern
im Gegenteil diese restriktiv auslegt. Die ohne Not, Mitmenschen in
eine lebensbedrohliche Lage bringt. Ich schäme mich, dass diese
Aktion m unserem Lande möglich war.
Günter Vollmer, Gomaringen. Brucknerstraße 2
Weitere
Texte zur Kusterdinger Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen Tagblatt
vom 28.12.2002
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