Südwestpresse/Schwäbisches
Tagblatt vom 30. Januar 2003:
AUSLÄNDER / "Ausweisung
gerechtfertigt"
Schäuble
rügt Behörde
Minister-Rüge für
das Landratsamt Tübingen. Die Behörde habe zweimal entgegen
der Weisung eine Duldung für eine albanische Familie ausgesprochen.
RAIMUND WEIBLE
TÜBINGEN - Innenminister
Thomas Schäuble hat sich gestern zu dem Fall der abgeschobenen
Familie Jashari aus Kusterdingen (Kreis Tübingen) geäußert.
Die Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Boris Palmer (Grüne)
hat es in sich.
Der Minister erteilt dem
Landratsamt Tübingen eine zweifache Rüge. Die Behörde
habe entgegen Weisungen des Regierungspräsidiums die Aufenthaltserlaubnis
der kosovo-albanischen Familie im März 2002 und am 12. Dezember
2002 per Duldung verlängert, schreibt Schäuble. Schon im Frühjahr
hätte das Landratsamt der Familie eine Ausreisefrist von drei Wochen
setzen müssen. Die Abschiebung der Eltern und der drei Kinder hatte
Empörung im Kreis Tübingen ausgelöst. Sie waren am 17.
Dezember 2002 nachts von der Polizei abgeholt und zum Flughafen eskortiert
worden. Schäuble rechtfertigte das Verfahren: Die Familie habe
die Möglichkeit gehabt, freiwillig auszureisen, sie aber nicht
genutzt.
Die Abschiebung begründete
er unter anderem mit strafrechtlichen Vergehen. Die Familie hatte einen
Asylantrag unter falschem Namen gestellt und Asylbewerberunterstützung
bezogen, ohne eine geringfügige Beschäftigung zu melden. Der
Familienvater wurde wegen Falschbeurkundung und Betrugs zu Geldstrafen
verurteilt. Palmer nannte das "verzeihliche Fehler".
Rüffel
fürs Landratsamt
Minister kritisiert Behörde
im Fall Jashari
KREIS TÜBINGEN (hoy).
Innenminister Thomas Schäuble übt heftige Kritik am Tübinger
Landratsamt. Er macht die Behörde dafür verantwortlich, dass
die Familie Jashari entgegen der Weisung des Regierungspräsidiums
länger in Kusterdingen bleiben konnte, bevor sie in der Nacht zum
17. Dezember in den Kosovo abgeschoben wurde (siehe Südwestumschau
im überregionalen Teil).
In seinem vierseitigen Brief
vom 27..Januar geht der baden-württembergische Innenminister ausführlich
auf die Fragen des Tübinger Landtagsabgeordneten Boris Palmer zur
Abschiebung der fünfköpfigen Familien Jashari ein, die im
Landkreis lautstarken Protest ausgelöst hatte (wir berichteten).
Der Grünen-Abgeordnete bat Schäuble schon am 27. Dezember
schriftlich um Aufklärung.
In seiner Stellungnahme verweist
Schäuble auf das eigenmächtige Vorgehen des Landratsamts in
zwei Fällen. Mit Jasharis, so Schäuble, habe es eine Ausreisevereinbarung
im August 2001 gegeben. Laut Anweisung des Regierungspräsidiums
hätte die Familie nach dem 31. März 2002 eine Ausreisefrist
von drei Wochen gehabt. Das Landratsamt aber habe eine Duldung von drei
Monaten erteilt. Im November, nach der Geburt des dritten Kindes, habe
die Behörde ohne Rücksprache mit dem Regierungspräsidium
die ablaufende Duldung am 12. Dezember noch einmal um drei Monate verlängert.
Holger Rothbauer, der Anwalt der Familie Jashari, kann nicht nachvollziehen,
warum Schäuble in seinem Brief "interne Absprachedefizite"
in den Vordergrund stellt. Das, sagt er, "darf auf keinen Fall
zu Lasten meiner Mandanten gehen". Auch eine Falschbeurkundung
seines Mandanten und eine Geldstrafe, weil der Familienvater Gehalt
bekam, gleichzeitig aber Sozialhilfe erhielt, "hat mit der Abschiebung
rein gar nichts zu tun", entgegnet Rothbauer Schäubles Vorwürfen.
Boris Palmer bewertet die
Abschiebung auch nach dem Schäuble-Brief nicht anders. "Es
war überhaupt nicht nötig, die Abschiebung als Geheimkommando
durchzuführen", so der Abgeordnete. Die Traumatisierung der
Kinder sei "nicht entschuldbar". Die Vermutung, die Abschiebung
der Jasharis sei auch vor dem Hintergrund eines Wettbewerbs der Bezirksstellen
für Asyl um die besten Abschiebequoten zu sehen, widerlege Schäubles
Antwort nicht. Von den insgesamt 2377 Abschiebungen im Land im vergangenen
Jahr wurden 350 im Regierungsbezirk Tübingen angeordnet. Das Landratsamt
wollte gestern keine Stellungnahme zur Minister-Rüge an seinem
Vorgehen abgeben.
Repnik zu
Avdijaj
Minister: Gesetzliche Vorgaben
beachten
GOMARINGEN (slo). Zum
Fall der von Abschiebung bedrohten Gomaringer Familie Avdijaj hat sich
jetzt der baden-württembergische Sozialminister Friedhelm Repnik
ke geäußert.
Viele Briefe hat Friedhelm
Repnik in den vergangenen zwei Wochen von Schülern, Lehrern und
Eltern aus Gomaringen bekommen. Sie alle bitten um Unterstützung
der Familie Avdijaj. Anwort auf diese Briefe haben die Absender bisher
nicht bekommen, auf eine Anfrage des TAGBLATTS hat Repnik nun reagiert.
Über seine Pressestelle
ließ Repnik ausrichten, er wisse, "dass es inzwischen einen
breiten Unterstützerkreis gibt, um der Familie Avdijaj zu helfen".
Er selbst habe die ihm übermittelte Petition an den Vorsitzenden
des Petitionsausschusses gleich nach Erhalt weiter geleitet.
Weiter heißt es: "Bei
vielen Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die vor Jahren
aus Not zu uns kamen und inzwischen in vielen Fällen in Deutschland
Freunde und vor allem Arbeit gefunden haben, wo oft auch Kinder inzwischen
herangewachsen sind, spräche im Einzelfall viel für ein Hierbleiben.
Gleichwohl muss die zuständige Innenverwaltung jeden dieser Einzelfälle
nach gleichen Grundsätzen behandeln und dabei die gesetzlichen
Vorgaben beachten."
Erste
Hilfe für die Jasharis
KUSTERDINGEN. Die Abschiebung
der Familie Jashari. in den Kosovo kurz vor Weihnachten hat auf
den Härten viele Fragen aufgeworfen. Der Unterstützerund
Freundeskreis der Familie lädt deshalb zu einer Gesprächsrunde
über die Lage im Kosovo und über die Situation der Familie
Jashari am Montag, 3. Februar, um 20 Uhr ins Bauernhofcafé
" Im Höfle" in Kusterdingen ein.
Jürgen Flotow,
Mitarbeiter der Diakonie Württemberg, war im November 2002
im Kosovo und hat dort verschiedene Projekte angeschoben. Er wird
an diesem Abend über seine Erfahrungen in Pristina berichten.
Der Freundeskreis referiert darüber hinaus über den
Verlauf der ersten Hilfsaktion und erzählt, wie es der Familie
mit den drei Kindern jetzt geht.
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Weitere
Texte zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen
Tagblatt vom 31. Januar 2003
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