Schwäbisches
Tagblatt vom 28. Februar 2003, S. 34
Viele Grüße
von Bahrie
Die Klasse
3 a der August-Lämmle-Schule hat ein Spenden-Paket in den Kosovo
geschickt
KUSTERDINGEN (ele). Zwei
Monate ist es her, seit die Familie Jashari aus Kusterdingen in einer
Nacht- und Nebel-Aktion abgeschoben wurde. Doch das Band der Solidarität
reißt nicht ab: Kinder der Klasse 3 a der August-Lämmle-Schule
und des Mozart-Kindergartens haben ein Spenden-Paket in den Kosovo geschickt
und auch prompt Antwort bekommen.
"Ich ferges euch nicht.
Ich ferarme euch alle", steht am Ende des Dankschreibens, das die
neunjährige Bahrie Jashari an ihre ehemaligen Mitschüler/innen
geschickt hat. Die hatten sich, unterstützt von ihrer Lehrerin
Renate Held und Kindern des Mozart-Kindergartens, für Bahrie und
ihre kleine Schwester Besarda (6) gewaltig ins Zeug gelegt: Jeder stiftete
ein paar Kleinigkeiten, die er/sie entbehren konnte: Stifte, Süßigkeiten,
Fotos, Bilder und kleine Spielsachen kamen so zusammen, mit denen dann
ein großes Paket geschnürt wurde.
Damit aber nicht genug: Einen
Monat lang spendeten die Drittklässler jeweils die Hälfte
ihres Taschengeldes. 70 Euro kamen so von den 22 Kindern zusammen. "Die
Kinder hallen das selbst so beschlossen" sagt Renate Held, ,aber
es war jedem Kind freigestellt, ob und wie viel es gibt - und es wurde
auch nicht kontrolliert." Weitere 70 Euro kamen aus einem Kuchen-Verkauf
in der Schule zusammen, den die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern und
Verwandten organisiert hatten.
Außerdem wurden in
der Schule und auch im Kindergarten Kleider für die Familie Jashari
gesammelt. Denn infolge der überstürzten Abschiebung konnte
die kaum Kleider und Hausrat mitnehmen. Auch im Kosovo sind die Temperaturen
immer noch recht frisch - bis zu 12 Grad sinkt das Quecksilber unter
den Gefrierpunkt -, und die Jasharis wohnen in einem Raum, der nur stundenweise
beheizbar ist.
Sogar die
Sonne weint auf dem Bild, das die neunjährige Bahrie für ihre
ehemaligen Klassenkamerad(inn)en gemalt hat.
Das Sammeln der Kleider,
Spielsachen und Spenden habe den Kindern geholfen, den Schock zu verarbeiten,
den auch sie durch das plötzliche Fehlen ihrer Mitschülerin
erlitten hätten, sagt Renate Held. Ihr sei bei der Aktion wichtig
gewesen, dass Möglichkeiten gefunden wurden, wie jedes einzelne
Kind etwas zu der Hilfsaktion beitragen konnte.
Das Paket der Klasse 3 a
ist inzwischen in Pristina eingetroffen, doch es hat dort nicht nur
Freude, sondern auch erneute Trauer über die ungewollte Trennung
hervor gerufen. Die Fotos und Souvenirs aus Deutschland haben Bahrie
an glücklichere Tage erinnert. "Es war eine gute Zeit, mit
euch zu schpielen und eine Klasse zu sein", schreibt sie. Auf der
Rückseite ihres Briefes hat sie die Situation im Bild dargestellt
(siehe unten): Es zeigt die Klasse 3 a der August-Lämmle-Schule
mit fröhlichen Kindern und einer weinenden Bahrie in der rechten
oberen Ecke.
"Ich gehe schon in die
Schule, aber es ist nicht so schön wie bei euch aber ich denk immer
an euch", berichtet sie von ihrer derzeitigen Lage. Vor allem die
Briefe, welche die Klassenkamerad(inn)en geschrieben haben, finden in
ihrem Rückschreiben Erwähnung.
Für den Freundeskreis
der Familie Jashari ist die Unterstützungs-Aktion damit aber noch
nicht beendet. Die Jasharis seien weiterhin auf Unterstützung angewiesen,
sagt Christine Bonnet-Baumgärtner. Deshalb will man weiterhin Spenden
sammeln. Auch die Hoffnung, dass die Petition des Rechtsanwalts Holger
Rothbauer doch noch zum Erfolg führt und die Jasharis zurückkehren
können, will Bonnet-Baumgärtner noch nicht aufgeben.
Freundeskreis-Mitglied Thomas
Ellinger möchte Ende März mit einem alten Kleinbus nach Pristina
fahren und den Jasharis persönlich einen Teil ihrer Habe bringen.
Den Bus möchte er dort lassen, damit die Familie einen fahrbaren
Untersatz hat.
INFO Spenden für die
Familie Iashari auf das Konto der evangelischen Kirchenpflege, Nummer
260 30 96, bei der Kreissparkasse Tübingen (BLZ 64150020 unter
dem Stichwort "Jashari". Der nächste Treff des Freundeskreises
ist am Donnerstag, 20. März, um 20 Uhr im "Höfle .
Der Brief, den Bahrie an Mona, Julia, Franziska un geschrieben hat,
ist zwar schwer leserlich, aber verstanden haben ihn alle.
Weitere
Texte zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen
Tagblatt vom 20. März 2003
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