Schwäbisches
Tagblatt vom 24. Januar 2003:
Rückkehr
für Jasharis
30 Kinder-Therapeuten schreiben
an Schäuble
TÜBINGEN (ele). Rund
30 Kinderärzte und -psychiater aus der Region fordern Innenminister
Thomas Schäuble in einem offenen Brief auf, bei Abschiebungen Vorkehrungen
gegen die Traumatisierung von Kindern zu treffen. Anlass dazu gab der
Fall " Jashari", bei dem die beiden älteren Mädchen
psychische Schäden erlitten (siehe auch Seite 35).
Rosika Jonda-Starrach ist
Kinder- und Jugendpsychiaterin in Reutlingen. In ihrer Praxis hat sie
es regelmäßig mit Kindern vom Balkan zu tun, die durch Krieg
und Flucht traumatisiert wurden. Als sich in Kusterdingen eine Unterstützer/innen-Initiative
für die bei Nacht und Nebel abgeschobene Familie Jashari bildete,
engagierte sich Jonda-Starrach für den Gesundheitszustand der Kinder
im Alter von drei Monaten, sechs und neun Jahren.
Über persönliche
Kontakte erreichte sie, dass eine albanische Ärztin die drei Kinder
in Pristina untersuchte und betreute. Die Therapeutin stellte bei den
beiden älteren Mädchen auch vier Wochen nach der Abschiebung
noch Symptome einer psychischen Traumatisierung fest. Dies sei ein Hinweis,
sagt Jonda-Starrach, dass es sich nicht um einen vorübergehenden
Schockzustand, sondern um eine tiefer gehende psychische Verletzung
der Kinder mit Auswirkung auf die seelische und körperliche Entwicklung
handle. Es sei eindeutig, dass die Traumatisierung durch die Abschiebung
ausgelöst wurde; noch kurz zuvor seien die Kinder von ihrem Hausarzt
untersucht worden und "völlig unauffällig" gewesen.
Solche Traumata sind nach
Jonda-Starrachs Erfahrung nur sehr schwer therapierbar; im Kosovo, wo
die Jasharis jetzt leben, können sie überhaupt nicht behandelt
werden. Wenn die Trauma-Folgen schon vor der Abschiebung bestanden hätten,
wären sie ein Abschiebe-Hindernis gewesen.
"Ich fühle mich
als Ärztin verpflichtet, Sie ausdrücklich über die stattgefundene
Verletzung der Kinder zu informieren", schreibt Jonda-Starrach
in ihrem Brief an Schäuble, den rund 30 Kolleg(inn)en aus Tübingen
und Reutlingen mit unterzeichnet haben. Die Jashari-Kinder bräuchten
sofort eine geeignete medizinische und psychotherapeutische Behandlung
in einem sicheren sozialen Umfeld. Ohne Zweifel habe das Vorgehen der
Landesbehörden zur Schädigung der Kinder geführt. Deshalb
müssten die Verantwortlichen nun nach einer schnellen Lösung
suchen, "die hilft, das Leiden der Kinder zu verkürzen."
Zusammen mit ihrem Praxis-Kollegen Arnold Rotar und weiteren 30 Unterzeichner/innen
fordert Jonda-Starrach, die Familie Jashari solle umgehend zurückkehren
dürfen, damit die Kinder behandelt werden können. Außerdem
solle es eine verbindliche Regelung geben, die bei ähnlich gelagerten
Fällen einer Traumatisierung vorbeugt.
Weitere
Texte zur Kusterdinger und Gomaringer Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen
Tagblatt vom 25. Januar 2003
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